Spontane Volkskunst

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Performance & Session-Formation aus Leipzig, 1980er.

Spontane Volkskunst, auch SVK, war eine Ad-Hoc-Formation mit wechselnden Musikern der Leipziger "Amateur" Jazz & Rock-Szene, mit denen der Dichter Lutz Nitzsche performative Aufführungen seiner dissidenten Poesie in Szene setzte.
Lutz Nitzsche (* 1955, später Nitzsche-Kornel) stammte aus dem Örtchen Meuselwitz, zwischen Altenburg und Zeitz gelegen. Bereits während seines Lehrerstudiums fiel er als renitenter Bohémien und Nonkonformist auf, 1976 begann er als Sportlehrer und FDJ-Sekretär (!) an einer POS in Leipzig-Schönefeld, wurde aber bereits nach einem Jahr suspendiert. Danach arbeitete er als Hausmeister, betätigte sich als Dichter und etablierte in seiner geräumigen Altbauwohnung einen Salon für Lyrik-Lesungen, Diskussionen und exzessive Parties, an denen auch so bekannte Literaten wie Thomas Böhme, Bernd Igel, Adolf Endler und der gleichfalls aus Meuselwitz stammende Wolfgang Hilbig, aber auch Ronald Galenza teilnahmen. Mit der Formation SVK, zu der u.a. Michael "Hatz" Hohloch gehörte (siehe u.a. Standhaft, Mad Affaire) trat Nitzsche später auch außerhalb seines Kreises in öffentliche Erscheinung, zwischen 1985 und 1989 sind Auftritte in der "moritzbastei", im "Haus der Volkskunst", sowie in den Jugendklubs "Jörgen Schmidtchen" und "Völkerfreundschaft" überliefert. Mehrere Auftritte endeten mit Hausverboten, wenn Nitzsche bspw. nackt zur Musik rezitierte oder auf die Bühne urinierte. Nitzsche und sein Umfeld wurden umfangreich und aufwendig von der DDR-Staatssicherheit mit Hilfe zahlreicher "IMs" (= Informelle Mitarbeiter) observiert, es kam aber nicht zur Verhaftung oder Sabotage seiner subversiven Tätigkeit, bis er im Frühjahr 1989 aus der DDR ausreiste.
Laut u.g. Quelle traten SVK auch unter Tarn-Namen wie fies-moll oder Die Vögel auf, nachdem sie beim MfS, aber auch bei den örtlichen Veranstaltern ihren schlechten Ruf gefestigt hatten. Möglicherweise war dies aber auch ein Trick, um über die Spielberechtigungen der einzelnen beteiligten Musiker überhaupt genehmigte Auftritte zu organisieren.

Lesen

  • "Schimmelblumen an der Pleiße", in: "Boheme und Diktatur in der DDR. Gruppen Konflikte Quartiere 1970-1989" von P. Kaiser & C. Petzold (Fannei & Walz Verlag 1997, S.220ff.)
  • "Flip Flop & Fly" - Gedichte von Lutz Nitzsche-Kornel (Engelsdorfer Verlag 2017)