Peking Records

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"Erstes" unabhängiges Label in der DDR, 1990 (bis 1991?) / Relaunch 2011.

Trotz (oder sogar gerade wegen) der liebenswerten Unprofessionalität seiner Macher, gepaart mit öffentlichkeitswirksamen Größenwahn war und blieb die Geschäftsgründung der Berliner Subkultur-Legende Herbst in Peking das bis heute bekannteste Label der "anderen bands". Sein überschaubarer Katalog repräsentiert mit seiner Mischung aus Kult-Platten und geschäftlich suizidalen No-Names wohl am besten die chaotische Auf- und Umbruchszeit zwischen ungläubig herbeigesehnter Währungsunion und stufenweiser Selbstauflösung der DDR.

Beinahe zeitgleich gegründet mit dem KPM Label der ex-"Staatsrocker" Toni Krahl und Fritz Puppel (City) gewann Peking Records im März (Mai?) 1990 den Wettbewerb um den ersten legal auf dem Gebiet der DDR unabhängig produzierten und erhältlichen Tonträger, die Herbst in Peking Debüt-Single "Bakschischrepublik". Das wirtschaftsrechtliche Vakuum in Ostdeutschland im Frühjahr 1990 zwang Peking Records noch, für die ersten beiden Singles auf Labelcodes von West-Firmen zurückzugreifen. Die dritte Single von Die Art wurde dafür sogar im Presswerk des noch bestehenden VEB Deutsche Schallplatten hergestellt! Peking Records bestand zu diesem Zeitpunkt neben Labelchef Rainer Kwasi ausschließlich aus Musikern von HiP und weiteren Bekannten. Auf Basis derartiger personeller Verflechtungen entstanden alle weiteren Produkte des Labels (einen Vertrag für ihr Debütalbum schloss Herbst in Peking aber über das Osnabrücker Mini-Label Happy Valley Records ausgerechnet mit der Ost-Berliner Independent-Konkurrenz KPM).

Trotz überregionaler Bekanntheit der Singles von HiP und Die Art waren jedoch offensichtlich keine nennenswerten Gewinne zu erwirtschaften, letztere entwickelte sich gar zum Flop weil sich erst nach Erscheinen des Debütalbums der Leipziger Düster-Rocker ("Fear" auf Z Records) mit SPV ein überregionaler Vertrieb für die Peking Records Produkte fand. Das wenige eingenommene Geld zehrten eine erfolglose EP der unbekannten Westberliner Combo No Immediate Threat und die aufwändige Produktion der Live-Compilation "Die letzten Tage von Pompeij" rasch wieder auf. Mangels finanzieller Mittel beschränkte sich das Label schließlich beim relativ erfolgreichen "Systemausfall" Sampler auf A&R Tätigkeit, sozusagen als Schnittstelle zur Szene, die westdeutschen Plattenfirmen auch im Herbst 1990 noch weitgehend unzugänglich war, die Gewinne blieben hierdurch jedoch beim Vertriebspartner SPV.

Die CD des zwischenzeitlichen HiP Keyboarders "Trötsch" Tröger (ex- Die Firma) wurde nur noch als Kassette veröffentlicht, eine LP der in Berlin ansässigen italienischen Band Quartered Shadows blieb unproduziert. Peking Records existierte auf dem Papier noch zwei Jahre weiter bevor die Band mit Stay Hip Records ein neues eigenes Label gründete.

Seit 2011 existiert wieder eine Internet-Präsenz mit dem Namen Peking Records als "Plattform zur Veröffentlichung der Musik von Herbst in Peking und aller parallelen Projekte", die aktuelle CD der Band erschien aber, wie fast alle Projekte von Joswig & Co seit 1996, beim Pretziener Indie-Label Moloko Plus.

Diskografie

  • PEP 00190: Herbst in Peking - Bakschischrepublik b/w Immortality (7", 1990, mit Magic Toe Nail Records)
  • LC 8255: No Immediate Threat - Die Rückkehr der gehirngestörten Grobmechaniker E.P.: Faules Fleisch | Todt durch Stahl b/w Scrapyard (7", 1990)
  • PRP 00390: Die Art - (I love you) Marian b/w Das Schiff (7", 1990)
  • PRP 0490: "Die letzten Tage von Pompeji" (LP Compilation, 1990)
  • "Systemausfall" (LP Compilation, 1990, mit DT64 und SPV Records)
  • Frank "Trötsch" Tröger - Le Petit Orkos (als CD geplant, nur auf Kassette veröffentlicht, 1991)

Quelle: NMI 2/1990 + NMI/Messitsch 2/1991 + NMI/Messitsch 5/1992