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Offenes Improvisations-Bandprojekt aus Berlin, Ende 1980er.
Psychedelisches Krautrock/Improvisations-Projekt aus Berlin, 1987 bis 1991.


Wie so vieles an Musikproduktion in der notorischen Ostberliner Szene jener Jahre sporadisch und offen betriebenes "Jamming"-Projekt, hin & wieder mit Musikern von '''[[Freygang]]''', '''[[Feeling B]]''', '''[[Ichfunktion]]''' und anderen. Namentlich mehrfach erwähnt wurden außerdem [[Trötsch]] und [[Tatjana Besson]] von '''[[Die Firma]]''', sowie der Chilene Raffael Insunza. Eine einzige als '''Ur-Tacheles''' überlieferte Aufnahme entstand 1987 im Duo Trötsch / Insunza. Da die vorgenannten Musiker 1990 nicht nur an der kulturpolitisch motivierten Hausbesetzung des später so genannten "Eimer" (Rosenthaler Straße 68), sondern auch an dem wesentlich bekannteren ehemaligen Kaufhaus in der Oranienburger Straße beteiligt waren, das als "Kunsthaus Tacheles" bis 2012 Bestand hatte, liegt nahe dass hier der Name des Bandprojektes Pate gestanden hatte.
Gegründet wurde das Projekt im April 1987 von Leo Kondeyne, [[André Greiner-Pol]] (AGP), Alex Kriening, Rafael Insunza Figueroa, [[Tatjana Besson]] und [[Trötsch]]. Kondeyne, seit 1982 Tontechniker bei '''[[Freygang]]''' und in der Akademie der Künste, war dabei der treibende Akteur. Angeregt durch den Komponisten [https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Katzer Georg Katzer] war er auf der Suche nach einer experimentellen und improvisierten Echtzeitmusik „vom Bauch heraus“. Nach den ersten Sessions stand für alle Beteiligten fest - wir musizieren in dieser offenen Form weiter - alle Musiker spielten parallel weiter in ihren Stammbands '''[[Freygang]]''', '''[[Die Firma]]''' und '''[[Ichfunktion]]'''. Der Name '''Tacheles''' wurde bei einem Treffen in einer Ostberliner Kneipe gefunden. Nach André Greiner-Pol handelte es sich bei „Tacheles“ (aus dem Jiddischen: offen und freimütig seine Meinung äußern) um einen Reserve-Namen für die immer wieder von Spielverbot bedrohte und betroffene Band '''Freygang'''. In der Erinnerung von Rafael Insunza wurde das Wort gewählt, ''„... weil es genau die politische Idee, die uns damals vorwärts trieb, widerspiegelte“''.<br>Die Erosion in der Kunstszene der späten DDR erfasste auch die Tacheles-Band. Rafael Insunza Figueroa musste im Sommer 1987 nach Westberlin umsiedeln, die Aufenthaltserlaubnis des Chilenen in der DDR wurde nicht verlängert. Trotzdem gab es gemeinsame Auftritte in Ost-Berlin, unter anderem in der [[Erlöserkirche]] (1987), in der Gethsemanekirche, der Zionskirche/Umweltbibliothek (1988) und im [[Haus der jungen Talente]]. Leo Kondeyne und Alexander Kriening reisten 1988 ebenfalls aus, danach fanden keine öffentlichen Auftritte mehr statt - Kriening durfte nicht mehr in die DDR einreisen. Es entstanden diverse Aufnahmen, von denen bisher nur das Stück ''„Niño“'' veröffentlicht wurde. Durch Trötsch a.k.a. IMB "Detlef" wurde auch die DDR-Staatssicherheit über die Aktivitäten von '''Tacheles''' unterrichtet.
<br>Nachdem 1989 das Spielverbot für '''Freygang''' aufgehoben wurde, beteiligten sich auch André Greiner-Pol und Tatjana Besson nicht mehr am '''Tacheles''' Musikprojekt.  <br>In Westberlin gründeten Kondeyne, Insunza und Kriening zusammen mit Krischan Jaeger (ex- [[Happy Straps]]) die '''Tacheles-West-Band''' und nahmen in dieser Besetzung verschiedene bisher nicht veröffentlichte Stücke auf. <br>Am 13. Februar 1990 besetzten Mitglieder verschiedener Künstler- und Musikgruppen die Ruine der ehemaligen Friedrichstraßenpassagen in der Oranienburger Straße, Berlin-Mitte. Leo Kondeyne aktivierte hierfür u.a. sein weit verzweigtes Netzwerk aus dem Umfeld der Westberliner Unwahr Galerie und der Ostmusikerszene aus dem [[Eimer (Berlin)|Eimer]] in der Rosenthaler Straße, AGP und Besson waren dann wieder dabei. In den ersten Tagen der Besetzung wurde beschlossen, die Initiative und später auch das neu entstehende [[Kunsthaus Tacheles|Kunsthaus]] ebenfalls „Tacheles“ zu nennen. <br>Die Tacheles-"West"-Band gab sich dann den Namen '''Los Delmonte''' und baute sich im Keller des Kunsthaus Tacheles einen Proberaum aus. Die Band '''Los Delmonte''' löste sich 1992 auf.
 
Netzinfo: [http://www.l-eben.com/die-story-tacheles/ www.l-eben.com/die-story-tacheles] | [https://taz.de/Tacheles-reden-und-Tacheles-leben/!561220/ taz.de]


== Musik ==
== Musik ==
* 2006: '''Ur-Tacheles''' - Nino (rec. 1987), auf: ''"[[Sampler - Spannung. Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund DDR 1979-1990|Spannung. Leistung. Widerstand.]]"'' (CD Compilation, ZickZack 2006)
* 1990: '''[[Die Firma]]''' - Niño, auf: ''[[Sampler - Born in DDR|"Born in DDR"]]'' (Just In Distribution, JD 760 434, Frankreich)
* 2006: '''Ur-Tacheles''' - Niño (rec. 1987), auf: ''[[Sampler - Spannung. Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund DDR 1979-1990|"Spannung. Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund DDR 1979-1990"]]'' (Buch+CD Compilation, ZickZack ZZ 2015)
 
== Quellen und weiterführende Informationen ==
* ''"[https://archive.org/details/tachelesbewegung_ut Die Entstehung der Tacheles-Bewegung", von Rafael Insunza Figueroa] (Universidad Metropolitana de Ciencias de la Educacion, Santiago de Chile, July 1995)''
* ''"Blues einer unruhevollen Jugend / Interview mit André Greiner-Pol", in: [[Ronald Galenza|Galenza]] / [[Heinz Havemeister|Havemeister]] 1999, S.345ff.''
* ''[https://archive.org/details/einfach_machen_ut tacheles - von der DDR Undergroundband zum besetzten Kunsthaus - Leo Kondeyne am 9.2.2019] (Video)''
* [https://archive.org/details/02-barch-mf-s-aim-9242-91-bd-3 Erwähnung der Musikformation "Tacheles" in einem Bericht zu einem Treffen mit dem IMB "Detlef" am 28.10.1987.], Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv
* Foto von '''Tacheles''' bei einem Auftritt in der Zionskirche, 1987 [https://revolution89.de/aufbruch/subkultur revolution89.de/aufbruch/subkultur]
 


[[Category:Bands]]
[[Category:Bands]]
[[Category:Berlin]]
[[Category:Berlin]]
[[Category:Stasi]]
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Aktuelle Version vom 6. September 2023, 09:00 Uhr

Psychedelisches Krautrock/Improvisations-Projekt aus Berlin, 1987 bis 1991.

Gegründet wurde das Projekt im April 1987 von Leo Kondeyne, André Greiner-Pol (AGP), Alex Kriening, Rafael Insunza Figueroa, Tatjana Besson und Trötsch. Kondeyne, seit 1982 Tontechniker bei Freygang und in der Akademie der Künste, war dabei der treibende Akteur. Angeregt durch den Komponisten Georg Katzer war er auf der Suche nach einer experimentellen und improvisierten Echtzeitmusik „vom Bauch heraus“. Nach den ersten Sessions stand für alle Beteiligten fest - wir musizieren in dieser offenen Form weiter - alle Musiker spielten parallel weiter in ihren Stammbands Freygang, Die Firma und Ichfunktion. Der Name Tacheles wurde bei einem Treffen in einer Ostberliner Kneipe gefunden. Nach André Greiner-Pol handelte es sich bei „Tacheles“ (aus dem Jiddischen: offen und freimütig seine Meinung äußern) um einen Reserve-Namen für die immer wieder von Spielverbot bedrohte und betroffene Band Freygang. In der Erinnerung von Rafael Insunza wurde das Wort gewählt, „... weil es genau die politische Idee, die uns damals vorwärts trieb, widerspiegelte“.
Die Erosion in der Kunstszene der späten DDR erfasste auch die Tacheles-Band. Rafael Insunza Figueroa musste im Sommer 1987 nach Westberlin umsiedeln, die Aufenthaltserlaubnis des Chilenen in der DDR wurde nicht verlängert. Trotzdem gab es gemeinsame Auftritte in Ost-Berlin, unter anderem in der Erlöserkirche (1987), in der Gethsemanekirche, der Zionskirche/Umweltbibliothek (1988) und im Haus der jungen Talente. Leo Kondeyne und Alexander Kriening reisten 1988 ebenfalls aus, danach fanden keine öffentlichen Auftritte mehr statt - Kriening durfte nicht mehr in die DDR einreisen. Es entstanden diverse Aufnahmen, von denen bisher nur das Stück „Niño“ veröffentlicht wurde. Durch Trötsch a.k.a. IMB "Detlef" wurde auch die DDR-Staatssicherheit über die Aktivitäten von Tacheles unterrichtet.
Nachdem 1989 das Spielverbot für Freygang aufgehoben wurde, beteiligten sich auch André Greiner-Pol und Tatjana Besson nicht mehr am Tacheles Musikprojekt.
In Westberlin gründeten Kondeyne, Insunza und Kriening zusammen mit Krischan Jaeger (ex- Happy Straps) die Tacheles-West-Band und nahmen in dieser Besetzung verschiedene bisher nicht veröffentlichte Stücke auf.
Am 13. Februar 1990 besetzten Mitglieder verschiedener Künstler- und Musikgruppen die Ruine der ehemaligen Friedrichstraßenpassagen in der Oranienburger Straße, Berlin-Mitte. Leo Kondeyne aktivierte hierfür u.a. sein weit verzweigtes Netzwerk aus dem Umfeld der Westberliner Unwahr Galerie und der Ostmusikerszene aus dem Eimer in der Rosenthaler Straße, AGP und Besson waren dann wieder dabei. In den ersten Tagen der Besetzung wurde beschlossen, die Initiative und später auch das neu entstehende Kunsthaus ebenfalls „Tacheles“ zu nennen.
Die Tacheles-"West"-Band gab sich dann den Namen Los Delmonte und baute sich im Keller des Kunsthaus Tacheles einen Proberaum aus. Die Band Los Delmonte löste sich 1992 auf.

Netzinfo: www.l-eben.com/die-story-tacheles | taz.de

Musik

Quellen und weiterführende Informationen