Juckreiz: Unterschied zwischen den Versionen

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NDW-Band aus Magdeburg, gegründet 1980.
NDW-Band aus Magdeburg, gegründet 1980.


Unbestrittener Mittelpunkt und ursächlich für den frühen Kultstatus der Nachwuchs-Popper war die Sängerin Marion Sprawe, gleichzeitig gemeinsam mit Friedhelm Ruschak Texterin der erfrischenden und bisweilen keck-schlüpfrigen Hits bis 1984. Vor allem live wurde, nach einer längeren Findungsphase ab 1982 ein Sound (mit programmiertem Schlagzeug) und eine Show angeboten, die den Vergleich mit '''Ideal''' oder der west-punkifizierten '''Nina Hagen''' nahelegten. Um dieses Niveau auch behördlich abzusichern, wurde bei den dafür notwendigen Einstufungen getrickst, was den Unmut lokaler Staatsdiener und nach dem pop-politisch besonders umstrittenen Jahr 1983 sogar das Interesse der Staatssicherheit erweckte. Das ideologische "Gefahrenpotential" von '''Juckreiz''' bezog sich in dieser Zeit u.a. auf die öffentliche Darbietung von Nina Hagen Songs, die seit 1976 absolute Persona Non Grata war. In den späteren 80ern soll es weitere "sozialkritische" Texte gegeben haben, die fast zu einem Auftrittsverbot gereicht haben sollen. Im November 1986 wurde '''Juckreiz''' in einer ''"Information zur politisch-operativen Situation in den Berufs- und Amateurrockgruppen der DDR"'' durch die Staatssicherheit explizit herausgestellt: ''"... so hat die Gruppe (...) fast für jeden eigenen Titel zwei Texte und spielt diesen je nach politischer Bedeutung der Veranstaltungen und nach dem Charakter des Publikums."'' (BStU Außenstelle Leipzig, Abt. XX, 00290/02, Bl.34)<br>Da die DDR auf der Suche nach akzeptablen ostdeutschen Pop-Äquivalenten jedoch stets versuchte, derartige Publikumsmagneten zunächst eher zu vereinnahmen als zu verbieten, gab es auch für '''Juckreiz''' erfolgreiche Teilnahmen an offiziellen Events wie dem "Goldener Rathausmann" genannten Dresdener Schlagerfestival. Marion Sprawe erlag schließlich den hier durchaus auch wirtschaftlich lukrativen Verlockungen, und wurde für die von [https://de.wikipedia.org/wiki/Burkhard_Lasch Burkhard Lasch] gecastete Ostpop-Supergroup '''Smokings Rockshow''' abgeworben, die zuvor ihre Frontfrau Petra Zieger eingebüsst hatte. Zeitgleich entstanden auch Solo-Produktionen und eine nur kurzlebige aber gelungene weitere NDW-Formation namens '''Casi Mosi''' mit dem Keyboarder [https://de.wikipedia.org/wiki/Carsten_Mohren Carsten Mohren] (vorher u.a. [[Gaukler Rock Band]]), der auch als Gast bei '''Juckreiz''' schon mitgespielt hatte. Jedoch bereits 1986 gründete sie mit dem '''Smokings'''-Musiker Alexander "Ali" Kirfe, den sie später auch heiratete, das Pop-Duo '''Helle Farben''' und zog sich damit aus der großen DDR-Pop-Wahrnehmung zurück.<br>Weder Marions Nachfolgerinnen bei '''Juckreiz''', Sybille Strauß und Anett Navall (die vorher als unzulängliche Ostkopie von '''Kate Bush''' aufgefallen war) noch eine größere Anzahl professioneller Gastmusiker konnten das Profil der frühen Jahre weiterführen. Mit der letzten Frontfrau Kristeen als konventionell animatorischem "Augenschmaus" (nach 1990 wurde sie tatsächlich für das [https://www.bild.de/news/inland/ur-oma/mit-55-kristeen-albrecht-51150682.bild.html Cover von PENTHOUSE] fotografiert) begann nach einer Neuformierung 1993 eine bis heute anhaltende Ära als Stadtfest-Mugger der institutionalisierten Neuen Deutschen Welle, die sich überwiegend auf das routinierte Covern der einschlägigen West-Hits beschränkt.<br>Das erst 2007 zusammengestellte Album ''"Die größten Hits"'' enthält mit den bis 1985 produzierten Compilation-Beiträgen und sieben bis dahin unveröffentlichten Liveaufnahmen von 1983 ausschließlich Material der tatsächlich am erfolgreichsten Sprawe-Ära. Erwähnenswert ist außerdem, dass mit ''"Zeck-Zoff..."'' 1984 in der DDR ein ebenso erfolgreiches wie frühes Beispiel für den gesamtdeutschen HipHop (nach '''[https://de.wikipedia.org/wiki/Rockhaus Rockhaus']''' ''"Disco in der U-Bahn"'' von 1983), entstanden war.
Unbestrittener Mittelpunkt und ursächlich für den frühen Kultstatus der Nachwuchs-Popper war die Sängerin Marion Sprawe, gleichzeitig gemeinsam mit Friedhelm Ruschak Texterin der erfrischenden und bisweilen keck-schlüpfrigen Hits bis 1984. Vor allem live wurde, nach einer längeren Findungsphase ab 1982 ein Sound (mit programmiertem Schlagzeug) und eine Show angeboten, die den Vergleich mit '''Ideal''' oder der west-punkifizierten '''Nina Hagen''' nahelegten. Um dieses Niveau auch behördlich abzusichern, wurde bei den dafür notwendigen Einstufungen getrickst, was den Unmut lokaler Staatsdiener und nach dem pop-politisch besonders umstrittenen Jahr 1983 sogar das Interesse der Staatssicherheit erweckte. Das ideologische "Gefahrenpotential" von '''Juckreiz''' bezog sich in dieser Zeit u.a. auf die öffentliche Darbietung von Nina Hagen Songs, die seit 1976 absolute Persona Non Grata war. In den späteren 80ern soll es weitere "sozialkritische" Texte gegeben haben, die fast zu einem Auftrittsverbot gereicht haben sollen. Im November 1986 wurde '''Juckreiz''' in einer ''"Information zur politisch-operativen Situation in den Berufs- und Amateurrockgruppen der DDR"'' durch die Staatssicherheit explizit herausgestellt: ''"... so hat die Gruppe (...) fast für jeden eigenen Titel zwei Texte und spielt diesen je nach politischer Bedeutung der Veranstaltungen und nach dem Charakter des Publikums."'' (BStU Außenstelle Leipzig, Abt. XX, 00290/02, Bl.34)<br>Da die DDR auf der Suche nach akzeptablen ostdeutschen Pop-Äquivalenten jedoch stets versuchte, derartige Publikumsmagneten zunächst eher zu vereinnahmen als zu verbieten, gab es auch für '''Juckreiz''' erfolgreiche Teilnahmen an offiziellen Events wie dem "Goldener Rathausmann" genannten Dresdener Schlagerfestival. Marion Sprawe erlag schließlich den hier durchaus auch wirtschaftlich lukrativen Verlockungen, und wurde für die von [https://de.wikipedia.org/wiki/Burkhard_Lasch Burkhard Lasch] gecastete Ostpop-Supergroup '''Smokings Rockshow''' abgeworben, die zuvor ihre Frontfrau Petra Zieger eingebüsst hatte. Zeitgleich entstanden auch Solo-Produktionen und eine nur kurzlebige aber gelungene weitere NDW-Formation namens '''Casi Mosi''' mit dem Keyboarder [https://de.wikipedia.org/wiki/Carsten_Mohren Carsten Mohren] (vorher u.a. [[Gaukler Rock Band]]), der auch als Gast bei '''Juckreiz''' schon mitgespielt hatte. Jedoch bereits 1986 gründete sie, nach der illegalen Ausreise ihres "Mentors" Burkhard Lasch, mit dem '''Smokings'''-Musiker Alexander "Ali" Kirfe, den sie später auch heiratete, das Pop-Duo '''Helle Farben''' und zog sich damit aus der großen DDR-Pop-Wahrnehmung zurück.<br>Weder Marions Nachfolgerinnen bei '''Juckreiz''', Sybille Strauß und Anett Navall (die vorher als unzulängliche Ostkopie von '''Kate Bush''' aufgefallen war) noch eine größere Anzahl professioneller Gastmusiker konnten das Profil und damit die Popularität der frühen Jahre aufrecht erhalten. Mit der letzten Frontfrau Kristeen als konventionell animatorischem "Augenschmaus" (nach 1990 wurde sie tatsächlich für das [https://www.bild.de/news/inland/ur-oma/mit-55-kristeen-albrecht-51150682.bild.html Cover von PENTHOUSE] fotografiert) begann nach einer Neuformierung 1993 eine bis heute anhaltende Ära als Stadtfest-Mugger der institutionalisierten Neuen Deutschen Welle, die sich überwiegend auf das routinierte Covern der einschlägigen West-Hits beschränkt.<br>Das erst 2007 zusammengestellte Album ''"Die größten Hits"'' enthält mit den bis 1985 produzierten Compilation-Beiträgen und sieben bis dahin unveröffentlichten Liveaufnahmen von 1983 ausschließlich Material der tatsächlich am erfolgreichsten Sprawe-Ära. Erwähnenswert ist außerdem, dass mit ''"Zeck-Zoff..."'' 1984 in der DDR ein ebenso erfolgreiches wie frühes Beispiel für den gesamtdeutschen HipHop (nach '''[https://de.wikipedia.org/wiki/Rockhaus Rockhaus']''' ''"Disco in der U-Bahn"'' von 1983), entstanden war.


Die Band im Netz: [http://www.juckreiz-ndw.de/ www.juckreiz-ndw.de] (z.Z. offline) | [https://de.wikipedia.org/wiki/Juckreiz_(Band) Wikipedia] | [http://www.deutsche-mugge.de/index.php/portraits/3099-juckreiz.html www.deutsche-mugge.de]
Die Band im Netz: [http://www.juckreiz-ndw.de/ www.juckreiz-ndw.de] (z.Z. offline) | [https://de.wikipedia.org/wiki/Juckreiz_(Band) Wikipedia] | [http://www.deutsche-mugge.de/index.php/portraits/3099-juckreiz.html www.deutsche-mugge.de]

Version vom 4. September 2020, 09:57 Uhr

NDW-Band aus Magdeburg, gegründet 1980.

Unbestrittener Mittelpunkt und ursächlich für den frühen Kultstatus der Nachwuchs-Popper war die Sängerin Marion Sprawe, gleichzeitig gemeinsam mit Friedhelm Ruschak Texterin der erfrischenden und bisweilen keck-schlüpfrigen Hits bis 1984. Vor allem live wurde, nach einer längeren Findungsphase ab 1982 ein Sound (mit programmiertem Schlagzeug) und eine Show angeboten, die den Vergleich mit Ideal oder der west-punkifizierten Nina Hagen nahelegten. Um dieses Niveau auch behördlich abzusichern, wurde bei den dafür notwendigen Einstufungen getrickst, was den Unmut lokaler Staatsdiener und nach dem pop-politisch besonders umstrittenen Jahr 1983 sogar das Interesse der Staatssicherheit erweckte. Das ideologische "Gefahrenpotential" von Juckreiz bezog sich in dieser Zeit u.a. auf die öffentliche Darbietung von Nina Hagen Songs, die seit 1976 absolute Persona Non Grata war. In den späteren 80ern soll es weitere "sozialkritische" Texte gegeben haben, die fast zu einem Auftrittsverbot gereicht haben sollen. Im November 1986 wurde Juckreiz in einer "Information zur politisch-operativen Situation in den Berufs- und Amateurrockgruppen der DDR" durch die Staatssicherheit explizit herausgestellt: "... so hat die Gruppe (...) fast für jeden eigenen Titel zwei Texte und spielt diesen je nach politischer Bedeutung der Veranstaltungen und nach dem Charakter des Publikums." (BStU Außenstelle Leipzig, Abt. XX, 00290/02, Bl.34)
Da die DDR auf der Suche nach akzeptablen ostdeutschen Pop-Äquivalenten jedoch stets versuchte, derartige Publikumsmagneten zunächst eher zu vereinnahmen als zu verbieten, gab es auch für Juckreiz erfolgreiche Teilnahmen an offiziellen Events wie dem "Goldener Rathausmann" genannten Dresdener Schlagerfestival. Marion Sprawe erlag schließlich den hier durchaus auch wirtschaftlich lukrativen Verlockungen, und wurde für die von Burkhard Lasch gecastete Ostpop-Supergroup Smokings Rockshow abgeworben, die zuvor ihre Frontfrau Petra Zieger eingebüsst hatte. Zeitgleich entstanden auch Solo-Produktionen und eine nur kurzlebige aber gelungene weitere NDW-Formation namens Casi Mosi mit dem Keyboarder Carsten Mohren (vorher u.a. Gaukler Rock Band), der auch als Gast bei Juckreiz schon mitgespielt hatte. Jedoch bereits 1986 gründete sie, nach der illegalen Ausreise ihres "Mentors" Burkhard Lasch, mit dem Smokings-Musiker Alexander "Ali" Kirfe, den sie später auch heiratete, das Pop-Duo Helle Farben und zog sich damit aus der großen DDR-Pop-Wahrnehmung zurück.
Weder Marions Nachfolgerinnen bei Juckreiz, Sybille Strauß und Anett Navall (die vorher als unzulängliche Ostkopie von Kate Bush aufgefallen war) noch eine größere Anzahl professioneller Gastmusiker konnten das Profil und damit die Popularität der frühen Jahre aufrecht erhalten. Mit der letzten Frontfrau Kristeen als konventionell animatorischem "Augenschmaus" (nach 1990 wurde sie tatsächlich für das Cover von PENTHOUSE fotografiert) begann nach einer Neuformierung 1993 eine bis heute anhaltende Ära als Stadtfest-Mugger der institutionalisierten Neuen Deutschen Welle, die sich überwiegend auf das routinierte Covern der einschlägigen West-Hits beschränkt.
Das erst 2007 zusammengestellte Album "Die größten Hits" enthält mit den bis 1985 produzierten Compilation-Beiträgen und sieben bis dahin unveröffentlichten Liveaufnahmen von 1983 ausschließlich Material der tatsächlich am erfolgreichsten Sprawe-Ära. Erwähnenswert ist außerdem, dass mit "Zeck-Zoff..." 1984 in der DDR ein ebenso erfolgreiches wie frühes Beispiel für den gesamtdeutschen HipHop (nach Rockhaus' "Disco in der U-Bahn" von 1983), entstanden war.

Die Band im Netz: www.juckreiz-ndw.de (z.Z. offline) | Wikipedia | www.deutsche-mugge.de

Besetzung

  • Marion Sprawe - voc, triola, perc (bis 1984) / Sybille Strauß - voc (1984/85) / Anett Navall - voc (1986/87, ex- Gong, Gura Fogg) / Kristeen Albrecht - voc, dr (seit 1987)
  • Jürgen "Ali" Albrecht - g
  • Friedhelm Ruschak - bg, voc
  • Jürgen Rohmeis - keyb, voc (seit 1983, ex- Reggae Play)

Musik

  • 1983: FKK, auf: "Heisse Würstchen - Neues aus Rock und Pop" (LP Compilation, Amiga 856014)
  • 1984: Zeck-Zoff, Trouble en Masse, auf: "Das Album - Rock-Bilanz 1984" (2xLP Compilation, Amiga 856083/084)
  • 1984: Ich hab mich grade so an dich gewöhnt / Jahrmarkt der Eitelkeit / Zeck-Zoff, Trouble en Masse, auf: "Kleeblatt № 11 - Junge Rockbands" (LP Compilation, Amiga 856044)
  • 1984: Zeck-Zoff, Trouble en Masse, auf: "Atemlos - Disco Non Stop" (LP Compilation, Amiga 856047)
  • 1985: Ich esse deine Suppe nicht, auf: "Schniegli Normali - Disco Non Stop" (LP Compilation, Amiga 856101)
  • 1991: Zeck-Zoff, Trouble en Masse, auf: "Weltall ● Erde ● Mensch - Deutscher Demokratischer Beat (Rock aus Deutschland Ost Vol.1)" (CD Compilation, Gala Classics 0185 036)
  • 1996: Sticker aus Tallin, auf: "Super Beatkiste" (CD Compilation, Edition BARBArossa EdBa 01323-2)
  • 1996: Balaton, auf: "Beatkiste Volume 8 - Die Jahre 1985-1989" (CD Compilation, Edition BARBArossa EdBa 01332-2)
  • 2003: Da muß'n Mann her, auf: "Die Notenbude Vol.1" (2xCD Compilation, Choice Of Music 200133-2)
  • 2004: Komm zurück zu mir, auf: "Die Notenbude Vol.3" (2xCD Compilation, Choice Of Music 200137-2)
  • 2005: Alles Paletti, auf: "Ost Rock'n'Pop" (2xCD Compilation, Eurotrend)
  • 2007: Zeck-Zoff, Trouble en Masse - Die größten Hits (CD Compilation, Amiga / Sony-BMG)

mehr Samplerbeiträge hier

Marion Sprawe

  • 1985: Marion Sprawe - Erste Liebe / Jessica - Nach der Schule (Split 7", Amiga 456579)
  • 1985: Casi Mosi - Schniegli Normali, auf: "Schniegli Normali - Disco Non Stop" (LP Compilation, Amiga 856101)
  • 1985: Marion Sprawe - Bleib bei mir, auf: "Feuerwerk - Pop aktuell" (LP Compilation, Amiga 856120)
  • 1988: Helle Farben - Hautevolee, auf: "Bong-Schlag" (LP Compilation, Amiga 856368)
  • 1996: Helle Farben - Einsamer Pilot, auf: "Beatkiste Volume 8 - Die Jahre 1985-1989" (CD Compilation, Edition BARBArossa EdBa 01332-2)
  • 2007: Smokings Rockshow - Wir sind die Liebe / Marion Sprawe - Erste Liebe + Bleib bei mir, auf: Juckreiz - Zeck-Zoff, Trouble en Masse - Die größten Hits (CD Compilation, Amiga / Sony-BMG)