Schleim-Keim
Schleim-Keim oder Schleim Keim war eine DDR-Punkband aus Stotternheim bei Erfurt und existierte in unterschiedlicher Intensität von 1980 bis 1996.
Die Band wurde 1980 von den Brüdern Klaus und Dieter „Otze“ Ehrlich mit Andreas „Dippel“ Deubach gegründet. Schleim-Keim spielten hauptsächlich sehr rauen Punk-Rock und schnellen Hardcore-Punk, wie viele DDR-Bands beeinflusst von Gruppen wie den Sex Pistols, Dead Kennedys oder CrAss. Die Band entwickelte aber ihren ganz eigenen spezifischen Stil, vor allem auch dadurch, dass Otze viele Instrumente (Gitarre, Schlagzeug) und Verstärker selbst zusammenbastelte oder modifizierte und dadurch einen extrem verzerrten, gut zu seinem charakteristischen Gesangsstil passenden Sound erfand. Spätere Stücke der Band experimentierten auch mit Elementen von Ska ("Geldschein"), New Wave ("Mein Weg", "Party im Cannabisbeet", "Der Tod") oder Techno ("Leck mich am Arsch"), die meisten dieser Lieder stammen jedoch aus der Spätphase von Schleimkeim und wurden teilweise von Otze im Alleingang als Soloprojekt geschrieben und aufgenommen (auf "Leck mich am Arsch" ist z. B. anstatt Otze nur ein gesprochenes Sample seiner damaligen Freundin zu hören), einige späte Stücke entstanden außerdem in einer Zeit, in der Otze die Freude am Punk größtenteils verloren hatte und plante alleine ohne Band als Liedermacher aufzutreten. Von diesen Stücken existieren allerdings keine bekannten Aufnahmen. Viele Fans sehen aus diesen Gründen die späten Veröffentlichungen nicht mehr als wirkliche Arbeiten von Schleim-Keim an.
Ende 1981 erfolgte der erste Auftritt in den Kirchlichen Werkstätten in Erfurt, zusammen mit den Creepers und Madmans aus Weimar. Weitere Auftritte erfolgten nur in Kirchen oder privaten Spielstätten. Dabei lernten die Mitglieder von Schleim-Keim den (nach der Wende als Stasi-Mitarbeiter enttarnten) Schriftsteller und Musiker Sascha Anderson kennen, damaliger Sänger der Ost-Berliner Band Zwitschermaschine. So kam die Beteiligung an der LP "eNDe / DDR von unten" als Sau-Kerle (SK) zustande, die als erste Punkplatte der DDR gilt. Anderson schickte Schleim-Keim dafür Ende 1982 in ein Studio in der Nähe von Dresden. Innerhalb von einer Stunde spielte die Band sieben Songs ein – der Song "Spione im Café" entstand spontan im Studio. Nach Veröffentlichung der Platte wurde Otze zum ersten Mal von der StaSi verhaftet.
Nachdem Klaus Ehrlich 1986 ausstieg, spielte Dieter "Otze" Ehrlich Gitarre. Von 1986 bis 1988 gab es häufige Besetzungswechsel: Kurzzeitig spielte Imad von L'Attentat die zweite Gitarre, Fozzy (später Die Fanatischen Frisöre) saß ein Jahr am Schlagzeug, Frank Zieris (später Mandata) spielte 1984/85 Bass und Thomas Hempt (gleichfalls Mandata) 1988 Gitarre. Weitere Kult-Auftritte gab es in Jena, wo Otze sich auf der Zugfahrt als Arbeiter verkleidete, um der Stasi zu entgehen, und in einer katholischen Kirche in einem Dorf bei Erfurt. 1988 stieß dann "Lippe" als Schlagzeuger zur Band, worauf sich der Übungsraum von Stotternheim nach Gotha verlagerte.
Auch nach der Wende bestanden Schleim-Keim weiter, standen aber im Sommer 1991 kurz vor der Auflösung, als Gründungsmitglied Dippel die Band verließ. Mit Hagen Schröder (ex- Die Fanatischen Frisöre) fand sich ein Ersatz. 1994 gründete Lippe in Gotha die eigene Grindcore/Punk-Band Aggressive Scum, nach der endgültigen SK-Auflösung 1996 stieß auch Schröder dazu und sicherte damit eine verlässliche und konstante Besetzung.
Dieter "Otze" Ehrlich starb am 23. April 2005 im Alter von 41 Jahren an einem Herzschlag in einer psychiatrischen Klinik, in der er nach der Tötung seines Vaters die letzten sieben Jahre seines Lebens verbracht hatte.
Klaus Ehrlich spielt heute bei der Band Kollektiver Brechreiz, die aus Mitgliedern der ehemaligen DDR-Bands Brechreiz 08/15 und Kollektiver Blutsturz besteht.
Am 28. Dezember 2008 gaben Lippe und Schröder unter dem Namen Schleim-Keim ein Konzert beim Punk im Pott im Exil. Der Auftritt stieß auf unterschiedliche Reaktionen. Ein Besucher skandierte mit einem Schild in der Hand „If SK is alive, Punk is dead!“ („Wenn Schleim-Keim lebt, ist der Punk tot“) und fand einige Anhänger; wiederum andere feierten die Situation.
Besetzung
- Dieter "Otze" Ehrlich - dr, voc (ab 1986 g, voc)
- Klaus Ehrlich - g (bis 1986)
- Andreas "Dippel" Deubach - bg (bis 1991)
- Hagen Schröder - bg (ab 1991)
- Andreas "Fozzy" von Nida - dr (1987/88) / "Isegrim Lippe" (= Mario Lippmann) - dr (ab 1988)
weitere Infos
- Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Schleim-Keim
- www.schleim-keim.ch.vu
- www.punkseidank.de.gg
- homepages.nyu.edu/~cch223/eastgermany
- Interview bei Höhnie Records
Musik
- 1983: Alles in rot / Scheiß Norm / Untergrund ist Strategie / Spion im Café / Ende / Haushaltsgeräte / Frankreich, auf:
"eNDe / DDR von unten" (LP Compilation) - 1986: Spione im Café, auf: "DDR Punk" (Tape Compilation, Funafuti Tapes)
- 1986/87 (rec.): Untitled, auf: "Rar und Unveröffentlicht / DDR Punk 80-89" (Tape Compilation, Robin Hood Tapes)
- 1987: Unterground & anarchy, auf: "der Ausbruchsversuch Nr.1" (Tape Compilation, Trash Tape Rekords)
- 1991: Spion im Café / Untergrund ist Anarchie, auf: "DDR Störfaktor" (Tape Compilation, Aggressive Punk Tapes)
- 1991: Ata, Fit, Spee, auf: "Zähne 91" (LP Compilation, Blue Velvet)
- 1991: Kriege machen Menschen / Ich liebte sie die ganze Nacht, auf: "Sicher gibt es bessere Zeiten ... Vol. 1" (LP Compilation, Höhnie Records HÖ 01 / CD Re-Issue, Nasty Vinyl NV05CD, 1992)
- 1991: Demo '91 (Tape, Aggressive Punk Tapes FUCK 10)
- 1991: Haben, haben, haben / Diktator, auf: "Auf Safari in Ostdeutschland Vol.2" (Tape Compilation, Aggressive Punk Tapes)
- 1992: Spitzel / In der Kneipe Zur trockenen Kehle, auf: "Sicher gibt es bessere Zeiten ... Vol. 2" (LP/CD Compilation, Höhnie Records HÖ 02 / Nasty Vinyl NV03)
- 1992: Schwarz, rot, gold, nie gewollt EP: Urzeitalter / Frage der Zeit / Der Mensch ist kein Tier (7"EP, rec. 1988, Höhnie Records HÖ 03 / Nasty Vinyl NV04)
- 1992: Abfallprodukte der Gesellschaft (LP/CD, Höhnie Records HÖ 04 / Nasty Vinyl NV06)
- 1992: Satan / Mein Garten / In der Kneipe Zur trockenen Kehle, auf: "Auf Safari in Ostdeutschland Vol.3" (Tape Compilation, Aggressive Punk Tapes)
- 1992: Spitzel / Mit dem Knüppel in der Hand, auf: "...aber auch hier gilt..." (Tape Compilation, Aggressive Punk Tapes u.a.)
- 1993: Geldschein EP: Geldschein / Bundesrepublik / Ich bleib hier (7"EP, Nasty Vinyl Singles Club SC 06)
- 1993: Satan / Karnickel, auf: "Sicher gibt es bessere Zeiten ... Vol. 3" (2xLP Compilation, Höhnie Records HÖ 07 / CD, Nasty Vinyl NV14CD)
- 1994: Mach dich doch selbst kaputt, Live in Chemnitz (LP/CD, Höhnie Records HÖ 17)
- 1996: In Gotha gibts nen..., auf: "Aus deutschen Kellern III" (Tape Compilation, Müll Tapes No.10)
- 1998: Drecksau EP: Bullenterror / Vogelfrei / Rausch (7"EP, rec. 1998, Höhnie Records HÖ 41)
- 2000: Nichts gewonnen, nichts verloren (Die Stotternheim-Tapes 1984–87, LP+7"EP Compilation, Höhnie Records HÖ 42)
- 2001: Sau-Kerle - DDR Von Unten (7"EP, Re-Issue der SK-Seite der 83er Split LP mit Zwitschermaschine)
- 2002: Leck mich am Arsch EP: Party im Cannabisbeet / Spitzel / In der Kneipe Zur trockenen Kehle / Leck mich am Arsch (7"EP, Nasty Vinyl NV 116)
- 2003: Nichts Gewonnen Nichts Verloren Vol. 2 (Die Gotha-Tapes 1988–90, LP/CD Compilation, Höhnie Records HÖ 67)
- 200?: Keine Wut mehr im Wanst, auf: "Gelegenheit macht Diebe!!!" (Tape Compilation, Zeckenzucht Records ZZR 4)
- 200?: In der Kneipe ..., auf: "Live is live and loud is Punk!!!" (Tape Compilation, Elbtal Records 012)
- 20??: Nein, nein, nein, auf: "Live is live and loud is Punk - Teil 2" (Tape Compilation, Elbtal Records 016)
- 200?: Mach dich doch selbst kaputt / ?, auf: "Randale Saufen Ostmuschis - Der letzte Teil" (Tape Compilation, Elbtal Records 020)
- 2018: Alles in Rot EP (7"EP, Höhnie Records HÖ 160)