Eine Einstufung (Parocktikum - 1987)

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Anmerkung: Die Einstufung fand im Spätherbst 1987 statt, den Text habe ich wahrscheinlich im Januar 1988 veröffentlicht. Lutz Schramm

Eine Einstufung (Manuskript, 1987)

Neulich klingelte bei mir das Telefon (ja, das passiert) und W. Fried­rich vom "Berliner Haus für Kulturarbeit" fragte mich, ob es mir gefallen würde, bei einer Einstufung von verschiedenen Amateur-Bands in der Kommission mitzuwirken. Da ich bei einer solchen Veranstaltung noch nicht zugegen war und drei der einzustufenden Gruppen mein musikalisches Interesse weckten, sagte ich zu. Jetzt habe ich also die Erfahrung gemacht und hatte auch schon einige Zeit darüber nachzudenken.

Abgesehen davon, dass ich, was meine Person angeht, den konkreten Fall etwas problematisch finde, denn nur mal telefonisch in eine solche Kommission berufen und über die genauen Vorgänge nur un­zureichend informiert, scheine ich nicht genügend präpariert - also davon abgesehen, habe ich doch viel erfahren und will das neugewonnene Wissen gleich weiter geben.

Die Kommission bestand aus drei Profimusikern (alle um die 35) und zwei kulturpolitischen Mitarbeitern des KKH Lichtenberg. Dazwischen also ich, als Radioonkel.

Einzuschätzen waren vor allem CADAVRE EXQUIS, DIE DREI VON DER TANKSTELLE und COLDSTEP. Dazu gleich. Außerdem wurde ein Alleinunter­halter (Mittelstufe), eine Heavykapelle (befristete Oberstufe), ein Solopianist (befristete Mittelstufe) und eine Tanzband (Mittelstufe) eingestuft. Also, wie schon vermutet: Kramladen. Sicher aus Gründen der Effektivität. Aber sind hier wirklich ausreichende Bedingungen für eine Einschätzung, die ja einer Einstufung voraus­geht gegeben?

Ich habe nur mit großen Bedenken meine Unterschrift unter die Protokolle dieser Einstufungen gesetzt. Denn ich bin nicht in der Lage, einen Alleinunterhalter „objektiv" einzuschätzen. Das bekenne ich gern.

Aber zu den drei interessanten Gruppen. Im allgemeinen beschränkte sich die Kommission auf die Einschätzung der handwerklichen Fähigkeiten der Beteiligten. Insofern sind die professionellen Musiker schon in der Lage, den Alleinunterhalter und die Heavy­Band einzuschätzen. Aber da, wo die Bewertung auf inhaltliche, konzeptionelle Elemente ausgedehnt wird, scheint mir die Sache fraglich. Kann ein Schlagzeuger, der seit 15 Jahren Musik macht nachempfinden, wie ein 19 jähriger seine Welt sieht und das musi­kalisch ausdrückt?

Ich habe mich an den "Amadeus"-Film erinnert: Der Fürst sagt zu Mozart: "Recht schön hat Er komponiert. Nur, es hat zu viele Noten." Und schließlich war der Fürst auch Musiker.

Die Kommission empfiehlt: CADAVRE EXQUISE: „Nicht so viel Moll." Das ist schon fast peinlich. Denn viel oder wenig Moll, ist keine Frage des Handwerks, sondern eine Inhaltsauffassung.

Der Tipp an den Schlagzeuger (von COLDSTEP), nicht so oft die Griffart zu wechseln geht in Ordnung. Der Hinweis, doch etwas fröhlicher zu klingen (an CADAVRE EXQUIS), ist fehl am Platze. Das muss die Band und ihr Publikum entscheiden.

Unter Umständen kann ich in einer solchen Situation, als Mitglied dieser Kommission vermitteln. Dazu bin ich auch bereit.

Aber warum muss einer mit der Autorität eines Rundfunkmitarbeiters kommen, um zu erklären, was die Gruppen doch genauso gut, oder besser wissen?

Hier die Ergebnisse der Einstufungen:

Herzlichen Glückwunsch! Lutz Schramm


Bei der Bundeszentrale für Politische Bildung gibt es einen Artikel zum Thema Einstufungen. http://www.bpb.de/...