Hinterhofproduction

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Musik- und Filmproduktion in Jena seit ca. 1985.

Was oder wer zum Teufel ist Hinterhofproduction?


Leben und Arbeiten in Vielfalt eine Doku von und mit Migranten aus RusslandAn irgendeinem Abend im Frühjahr 1970 saß ich wie üblich mit ein paar Freunden im „Grünen Kranz“, einer üblen Kaschemme in Jena, Bier gab es reichlich und wir laberten wie üblich über unsere Lieblingsbands und wo in Jena vielleicht irgendwann mal wieder irgendwas abgehen könnte. Einer der Kumpel erzählte: „In der Johannisstraße im Hinterhof gibt es so einen Laden von der Kirche. An der Wand hängt ein Spruch: Säkularisation: Die Kirche hat einen guten Magen, trotzdem sollte man ihn von Zeit zu Zeit auspumpen..So kirchlich sind die also gar nicht. Da sitzen auch immer ein Haufen Bräute rum und´n Kasten Bier steht in der Mitte!“ Also landete ich in der „Offenen Arbeit“ der JG „Stadtmitte“ in Jena 1971. Es hatte da auch eine Band namens „Peaceful Dead“. Deren Konzerte hätte ich gerne auf Band mitgeschnitten, doch fehlte mir dazu das Tonband. Irgendwer schnitt im September 71 ein Konzert mit und als ich mir die Aufnahmen kopieren wollte, ich hatte 1974 endlich ein Monotonband „ZK 120“ aus Polen ergattert, mußte ich feststellen, daß die Aufnahmen verschwunden waren. Später stellte sich heraus, daß der Kumpel das Band abgeliefert hatte – beim MfS natürlich. Der Motor der Band genannt „Pastor“landete im Knast wegen „Arbeitsbummelei“ denn dieser „Assi“-Paragraph des Strafgesetzbuches wurde erst 1978 abgeschafft. Eine neue Band entstand in der „Offenen Arbeit“ erst wieder 1983 und die hieß „Airtramp“. Papa Staat war in den Jahren auch nicht untätig geblieben und hatte Jugendclubs geschaffen, schließlich wollte man ja die Jugendkultur nicht nur dem Klassenfeind überlassen. „Airtramp“ bauten sich den feuchten, muffigen aber gemütlichen Kohlenkeller in der JG „Stadtmitte“ als Probenkeller aus und spielten bei Werkstätten und Privatpartys, auch in Saalfeld und beim Landesjugendsonntag. Irgendwann hatten sie es geschafft, zwei Auftritte in staatlichen Jugendzentren zu haben und dem damalige Clubchef vom JZ „Burgau“ der bei der Abt. Kultur beim Kombinat „Carl Zeiss“ angebunden war und daher mehr Freiheiten hatte als die bei der FDJ-Kreisleitung angebundenen Clubs besorgte der Band einen Fördervertrag vom Kombinat. Und er borgte ihnen eine Anlage, zu der auch ein 12-Kanal Mixer vom VEB „Vermona“ gehörte. Dieser hatte zwar einen Rauschpegel Windstärke 8, doch wen störte das damals. Es entstanden also die ersten Aufnahmen in der JG. Nach einigen Auftritten im gesellschaftlichen Umfeld und dem Versuch, eine Einstufung vor der staatlichen Prüfungskommission zu absolvieren, bekam die Band Auftrittsverbot. Das war 1985. Was tut man mit Auftrittsverbot – man stellt einen Ausreiseantrag – und wer in den „Westen“ geht, den interessiert doch der 12-Kanal Mixer nicht mehr. Also gingen die Jungs in den Westen und der Mixer war verschwunden und blieb es auch. Ich gab mir alle Mühe, den Mixer zu finden, als der Jugendclubchef in der JG auftauchte, doch konnte ich ihm leider nicht helfen. In der Zwischenzeit hatte ein Freund einen Kopfhörerverstärker für 6 Kopfhörer in einer Zigarrenkiste gebaut und an manchen Wochenenden wurde aus der JG „Stadtmitte“ ein Studio. Drum in einem Raum, Rest der Band ohne Amps im anderen Raum, Instrumente direkt an den Mixer. Da ich als Angestellter beim Kreiskirchenamt (ich kassierte damals Kirchensteuern) den Vorteil hatte, von der Westkirche wegen meines geringen Gehalts jährlich eine Hungerbeihilfe von 400 Westmark auf das Konto meines Freundes Blase in Westberlin zu bekommen, war ich in der Lage, ein paar unerläßliche Teile wie ein Kassettendeck, einen Equalizer u.ä. zu besorgen. Für diese Verhältnisse klangen die Aufnahmen gar nicht so schlecht. Airtramp war im Westen und die nächsten Jugendlichen tauchten auf, die eine Band gründen wollten. Die Leute hatten einen Iro, nannten sich Punks und die Band hieß „Sperma Combo“. Die Musik war schräg, die Töne stimmten fast nie und die Proben waren Party. Da ja auch andere Leute die Aufnahmen hören wollten, begann ich also, die Mastertapes zu kopieren. Im Westen war bereits die doppelte Kopiergeschwindigkeit erfunden worden, also besorgte ich mir so ein Kassettenrecorder. Die „Normal-Kassetten“ im Osten kosteten 20 Mark. Das war ein Haufen Kohle für Jugendliche. Doch auch der Osten hatte etwas erfunden – nämlich Bastelsets für 20 Mark. Das war eine Plastiktüte mit den Einzelteilen von 2 Kassetten. Die mußten nur noch zusammengeschraubt werden. Ich schraubte Nächtelang, mit dem Vorteil, die Kassetten mit 10 Mark Plus verkaufen zu können, um die Technik zu verbessern. 1988 trieb ich z.B. in Rostock in einem „An- und Verkauf-Laden“ einen selbstgebauten Aphex (Hochtongenerator) für 1800 Mark auf. Zu Kirchentagen fuhr ich dann immer mit einem Rucksack voll Kassetten, baute irgendwo einen Stand auf und Käufer kamen reichlich und die Kassetten reichten nie. 1988 kam ich dann auf die Idee, Bestellzettel zu verteilen und den Leuten Nachnahmesendungen zu senden. .Ach ja, die Kassettencover. Es gab einen Fotoapparat, Bandfotos, ein Fotolabor auf meinem Dachboden und Duosan Rapid (Klebstoff, der auch schon in manchen Kreisen zum Schnüffeln benutzt wurde) und weitere Nächte des beklebens von den inliegenden ORWO Pappcovern. Irgendwann 1987 tauchte eine Band namens „Gefahrenzone“ aus Saalfeld auf, die hatten ein paar Hits auf Lager und wollten diese natürlich auch auf Kassette haben. Also einen Freitag lang aufbauen, löten, usw.usf. Irgendwann Soundcheck – klingt gut, also geht’s morgen Früh (Samstag) los. Doch es dauerte Stunden, bis der erste Hit im Kasten war, schließlich mußte nach jedem Verspieler neu angefangen werden. Zum Schluß saß ich dann noch mal Nächte, um ein Mastertape zusammen zu schneiden. Es sprach sich herum und es tauchten weitere Bands auf. Unter anderem die „Fanatischen Frisöre“ aus Eisenach, „Ulrike am Nagel“ aus Hermsdorf und “Kalabatek Exzek“ (Tom und Reimo von „Antitrott“ und Tatjana von der „Firma“ aus Berlin). Insgesamt entstanden 22 Kassetten von 15 Bands. 1991 schenkte ich den Mixer dem Jugendclub in Cumbach.

Um es noch einmal mit mit anderen Worten zu sagen:

Diese Band – und Kassetten Arbeit förderte in mehrdimensionaler Weise die Entwicklung der Jugendlichen sowie deren Kultur. Auf sozialer Ebene in der Frage der Identitätsbildung und in der Frage der Authentizität. Auf physiologischer Ebene bei der Unterstützung der Lebensintensität, der Bedeutung des Körpergefühls, der Weltwahrnehmung und der kulturellen Orientierung. Dazu kam die affektive Bedeutung im DDR – Alltag; Begeisterung, Freude und Kompensation dieses Alltags durch die Sinn-Dimension dieser Arbeit. In einer sehr kurzen Zeit entwickelte sich diese Bandarbeit, gerade durch die Herstellung und Verbreitung auf Tonträgern zu einem kulturschaffenden Faktor innerhalb der eng begrenzten und noch nicht ausdifferenzierten Szenen. Es waren sozusagen subkulturelle Antworten auf die prägenden lebensgeschichtlichen Erfahrungen der Jugendlichen. Für diese war es eine Gegenkultur gegen die von oben verordnete Kultur einschließlich der vorgeschriebenen Rollen. Im Gegensatz zu den prägenden authentischen westlichen Musikformationen der 50er und 60er Jahre entwickelten sich sehr eigenständige unterschiedliche musikalische Stile zwischen westlicher Kultur und DDR-Musikgut. Dieser „Widerstand“ gegen die verordnete Kultur war eine Widerstandsposition, die sich an Lebensstilen orientierte und nicht mehr das „revolutionäre“ Potential der Aktivisten der 70er Jahre hatte, die DDR links zu überholen. Die Texte waren nicht mehr der politische sondern ein kultureller Aufbruch gegen den Kulturverfall in der DDR und gleichzeitig die Rückzugsmöglichkeit in eine kulturelle Nische, die trotzdem durch die Konzerte und den Kassettenvertrieb den Vorteil hatte, nicht im eigenen Saft zu schmoren. Diese Arbeit hat, durch die Bereitstellung des außerinstitutionellen Freiraumes zu einer Erweiterung des lebensweltlichen Raumes vieler Jugendlicher in der begrenzten DDR geführt. Es war Überlebenshilfe und Protest zugleich.

Und heute: Hinterhofproduction ist nach wie vor eine Einpersonengeschichte. Die Filme die in der letzten 15 Jahren entstanden sind und noch entstehen werden, sind füe die jeweiligen Akteure gemacht. Hier wäre dann noch eine aktuelle Liste:

Airtramp „Deutsche“ 86

„Frühe Jahre 84-86“

„Müslis & Instrumentals“

„Weihnachtskonzert 89“

Sperma Combo „Ohne Torte“ 88

„Benefizkonzert“ mit UAN 88

Antitrott „Antitrott“ 86 Kremer

Chaoten „Chaoten“ 89

Fanatische Frisöre „Fanatische Frisöre“ 88

Gefahrenzone "Gefahrenzone" 87

                       „Dein Platz…“ 88

„Live“ 89

Kalabatek Exzek „Wenn ein Mensch…“ 89

Karsten Troyke & Götz Lindenberg „Jiddische Lieder 88

„Live Tapes and Rarities“

Montagsband „Montagsband 88/89

Sapienti Sat „Weihnachtskonzert“ 89

Ulrike am Nagel „Die Schönheit selbst“ 88

Werkstattserie 1990 live: Tequila

Frontal

Ulrike am Nagel

Mysterious Mr. Moto

Pastor

Rest in Pain

Pastor „Songs“ 75 Pastor


Filme von HP


Von Einem der auszog… 1986

Hartroda 1987

Piss for Peace 1988

Der Augenzeuge 1988

Jena 1988

Prediger in der Wüste (C.Stanescu) 1984/2004

Auch die Ukraine lieg in Europa 1993

Wir sind die Deutsche Jugend - Punk- 1996/97

Wir sind die Deutsche Jugend - HipHop- 1996/97

Wir sind die Deutsche Jugend - Darkwave - 1996/97

Wir sind die Deutsche Jugend - Hardcore - 1996/97

Wir sind die Deutsche Jugend - Electro/Industrial - 1996/97

Wir sind die Deutsche Jugend - Techno - 1996/97

Wir sind die Deutsche Jugend - Metal - 1996/97

Who goes on a journey, sometimes don´t come back 2004

Grind over Malaysia - Verge on Reason Tourfilm von Singapore bis Kuala Lumpur 2005

Deine Stadt lebt – 15 Jahre Sprayerkultur in Ostdeutschland 2006

20 Jahre JG Stadtmitte 1970 bis 1990 2006

Rock das Kassa – 8. Bandwettbewerb Jena 20 Clips 2006

Musikerparty – Ein pädagogisches Konzept 2007

Weggehen oder Hierbleiben – Ein Stück Airtramp/ZG 7/ JG Stadtmitte Geschichte mit den Akteuren von damals 2007

Eine Deutsch-Deutsch-Französische Begegnung 2007

Treibstoff Jenasampler 12 Clips von Nachwuchsbands 2007

Die Jenaer Stadtmusikanten in Rambach 2007

Reinhard Cooper Konzertfilm Neuvertonung "Das Cabinet des Dr Caligari" von 1919

Leben und Arbeiten in Vielfalt eine Doku von und mit Migranten aus Russland

dieser Text wurde ergänzt von

Kaktus