J.
Auch "Jaye", eigentlich Jens Müller, Musiker und Songschreiber aus Berlin.
"J." begann seine Musikerkarriere bei der Berliner Combo Kleinkariert, bevor er 1987 auf dem zuvor hart umkämpften Schlagzeugstuhl der Untergrund-Helden Die anderen landen konnte. Mit ihm begann die erfolgreichste Phase dieser Indie-Ska-Band, die in einem Auftritt im West-Berliner Szene-Auditorium "ECSTASY" im Mai 1989 (zusammen mit Feeling B und Tina has never had a teddy bear) gipfelte und zugleich ihr jähes Ende fand. Dieser für nonkonforme Amateurbands einmalige Trip über die Berliner Mauer hinweg kam durch Vermittlung des amerikanischen Möchtegern-Produzenten Jack Riley zustande, der bereits 1980 in Zusammenarbeit mit dem DDR-Staatslabel Amiga beinahe die erfolgreichen Ostrocker City gespalten hätte (er sorgte für die Produktion des englischsprachigen Albums "Dreamer", mit dem er angeblich Marktanteile in Großbritannien und den USA erobern wollte und das sich für alle Beteiligten mit Ausnahme von Riley als künstlerisches und wirtschaftliches Desaster herausstellte).
Riley, nunmehr unter dem Manager-Pseudonym "Ran Jak", versuchte bereits seit Herbst 1988 Teile des Berliner Szene-Untergrunds für einen musikalischen Reißbrett-Hype namens "Trench Music" zu vereinnahmen. Erst vor dem Hintergrund des sich immer deutlicher abzeichnenden Endes der DDR bekam dieser Papiertiger durch geschickte PR in der internationalen Musikpresse Konturen. Riley überzeugte Jens Müller, den hübschen Schlagzeuger mit Songschreiber-Ambitionen, nach dem Ecstasy-Gig zum Verbleib in West-Berlin und anschließender Ausreise nach Großbritannien, was zuerst Die anderen an den Rand der im Dezember 1989 endgültigen Auflösung brachte. Die von seinem erfundenen "Trench"-Trend überzeugten Amiga-Verantwortlichen finanzierten gar die großspurige Produktion des Debütalbums von J. and the Trench Band in London, das Anfang 1990 als eine der letzten Platten des volkseigenen Labels erschien und nicht nur bei den anvisierten Käufern gründlich floppte sondern auch von der Musikkritik mit unverhohlener Schadenfreude übergossen wurde. "The Trench Band" existierte offensichtlich nur auf dem Papier der Pressemappen (es gab wohl zumindest einen Fernsehauftritt bei "Elf99"), auf der LP spielte "J." angeblich alle Instrumente selbst bis auf einige Gitarrenparts von Vico Wildanger von Tina has never had a teddy bear (die sich wegen dessen voreiligen Ausstiegs gleichfalls auflösten), Musikerkollege Dafty Richter von Die anderen war Co-Autor eines Songs, alle anderen Titel stammten vom Team J./Ran Jak.
"J." verschwand nach dem Trench-Desaster erst von der musikalischen Bildfläche, später auch aus Deutschland weg nach Paris. 1992 veröffentlichte er in Frankreich ein zweites Album, wieder bei einem übertölpelten Majorlabel, das in der peinlichen Schwarz-Weiß-Aufarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte zu einem konzeptionslosen Mix aus Rap und Electronic offensichtlich Marktpotential zu erkennen glaubte. Riley/Ran Jak war auch hier wieder als Produzent beteiligt. Nach noch einigen folgenden Remix-Versuchen gab "J." die Musik auf und ging in die USA wo er sich seitdem angeblich als IT-Unternehmer betätigt.
Musik
- 1990: J. (LP, Amiga 856531)
- 1992: We are the Majority (CD, Polydor France)
- 1992: Born on the wrong Side of Town (MCD, Polydor)
- 1992: Come over here (MCD, Polydor)
- 1992: Keep the Promise (MCD, Polydor / 12" A&M Records)
Quellen
- Jens und der Mann aus Amerika. In: Messitsch 3/1990
- Alle nennen mich J. In: NMI/Messitsch 3/1992