Wartburgs für Walter
Band aus Berlin 1987 bis 1989, Dark-Punk & Avantgarde.
Netz-Info: PictureSonicCirculate / Myspace
Besetzung
- Ina Pallas - voc
- Jörn Pallas (= Jörn Schulz) - bg (ex- Antitrott)
- Boriz Becker (= Bernd Hennig) - g (ex- Kein Talent)
- Dirk "Scholle" Scholz - dr
Frechheit
- Boris (voc, g)
- Krzyztof (= Christoph Schneider) (dr)
- Eva (Tröger?) (bg)
Bandstory
Wartburgs für Walter entstanden im September 1987. Jörn (ehemals Antitrott) und Ina, die damals gleichzeitig zusammen mit Igor die Band Grabnoct hatten, fingen an mit Boris in ihrer Wohnung die ersten Songs mit einem Drumcomputer zu machen. Eigentlich war anfangs keine ernsthafte Band geplant, und so lassen sich auch der Bandname und einige der englischen Texte der ersten Songs eher als ein Spaß verstehen. Aufgrund günstiger Umstände unternahm die Band in ihrer Anfangsphase mit ihrem in nur kurzer Zeit entstandenen halbstündigen Repertoire eine gemeinsame siebentägige Tour durch Polen im November 1987 zusammen mit der Band Kein Talent/Namenlos, deren Bassist Boris derzeit war. Die Aufnahmen für den Sampler "We are the Flowers in the Redzone" (QQRYQ Tapes, Polen?) entstanden während dieser Tour.
Inspiriert durch den Zuspruch von Freunden begann sich WfW nach der Tour als feste Band zu formieren und suchten sich Anfang 1988 Scholle als Schlagzeuger. Ebenfalls Anfang 1988 kam für einige Monate noch Wolf (ex- Andreas Auslauf) als zweiter Gitarrist zur Band, mit dem sie auch einige Auftritte hatten.
Die anfängliche Phase lässt sich als eine der kreativsten der Band bezeichnen. So sind die meisten der Songs ungefähr in dem ersten dreiviertel Jahr des Bestehens der Band entstanden. Erschwerende Umstände für die Band war, dass sie Ende 1988 ihren Proberaum, eine Wohnung in der Kopernikusstraße 10 in Berlin-Friedrichshain, aufgrund zunehmender Beschwerden wegen Lärmbelästigung aufgeben mussten und somit nur noch seltene Probemöglichkeiten hatten. Da die Band anfänglich keine Auftrittsgenehmigung hatte spielte sie in der DDR gelegentlich in kirchlichen Einrichtungen oder bei pivaten Parties. Einem größeren Publikum wurde sie zum ersten mal bekannt beim Frühlingsfest 1988 auf dem Gelände der Erlöserkirche in Berlin Rummelsburg. Nach mehreren befristeten Auftrittsgenehmigungen, die es der Band ermöglichten in einigen Jugendklubs in Berlin zu spielen, bekam die Band im Herbst 1988 eine unbefristete sogenannte "Einstufung" von einer staatlichen Kommission und durfte somit dauerhaft legal auftreten.
Das 1989 veröffentlichte Demotape wurde im Januar dieses Jahres von Fiedel in Hennigsdorf aufgenommen und enthält den Großteil der live gespielten Songs.
Jörn und Boris gründeten 1989 noch ein Bandprojekt namens Waoautru mit dem Konzept konzeptionsloser freier Musik. In Anbetracht der geplanten Ausreise aus der DDR von Ina und Jörn und der damit verbundenen Auflösung der Band, begann Scholle neben Wartburgs für Walter bei B.Crown, die anderen und bei Die Vision Schlagzeug zu spielen. Anfang Juli 1989, als die Ausreise von Ina und Jörn nach Westberlin unmittelbar bevorstand, löste sich die Band schließlich auf. Boris versuchte eine neue Band aufzubauen und gründete im Herbst 1989 zusammen mit Mitgliedern von Keine Ahnung die Band Frechheit, die bis 1990 existierte (eine Tape-Veröffentlichung).
Versuche, die Band nach der Wende wieder zusammenzubringen scheiterten aufgrund verschiedener musikalischer Interessen.
Scholle ersetzte von 1989 bis 1991 den gleichfalls ausgereisten Drummer Thomas Stephan von Die Art aus Leipzig und war an der Einspielung ihrer ersten LP "Fear" (1990, Zong Label) beteiligt. Es folgte ein weiteres Zwischenspiel mit den Frankfurter Dark-Poppern The Calyx Of Rose, 1993 stieß er schließlich für mehrere Jahre als festes Mitglied zu den Mittelalter-Rockern Corvus Corax. Aktuell arbeitet er mit dem Projekt Cultus Ferox und unter dem eigenen Künstlernamen Donar von Avignon an Soloveröffentlichungen.
Ina Pallas veröffentlichte 1993 solo unter dem Namen Meta Marduck, eine "eigenartige sphärische Mischung aus Einstürzende Neubauten (die späteren Jahre), Gothic und Christian Wolz" (NMI/Messitsch 3/1993).
Jörn Schulz arbeitete bis 2003 mit Reimo Adler (Antitrott, Kalabatek Exzek, Ornament & Verbrechen), Andreas Wenzlova und Gästen im freien Improvisations-Projekt Mahatok.
Musik
- 1988: Mightmachine / Out of thought, auf: "Alösa Frühlingsfest 22./23.4. 1988" (diverse Tape und Video Compilations)
- 1988: ???, auf: "We are the Flowers in the Redzone" (Tape Compilation, QQRYQ Label)
- 1989: Wartburgs Für Walter (Tape)
- 1989: Wartburgs Für Walter live! (Tape)
- 1990: More More Anymore, auf: "Panx Vinyl Zine 04" (Fanzine + 7"EP Sampler, erschienen in Toulouse / Frankreich, Januar 1990)
Fanzine mit posthumen Artikel über WfW, die anderen Bands im Heft und auf dem Sampler stammen aus den USA (Lost + Radiation Sickness) und Schweden (Horse Laugh)
- 1990: Frechheit (Tape)
- 1991: Springtime, auf: "Sicher gibt es bessere Zeiten ... Vol. 1" (LP Compilation, Höhnie/Nasty Vinyl)
- 1993: Meta Marduck (= Ina Pallas) - Lügenlied (Format??? Bad Vibration Label)
- 1999: Mahatok (live 1998-99, CD-R 001, Eigenvertrieb)
- 1999: Mahatok - Live at Solipse Festival Ozora - Hungary 14.8.1999 (CD-R 002, Eigenvertrieb)
- 2000: Humble Fools, auf: "Durchgeknallte Ostler" (Tape Compilation, Wahnfried Records)
Texte
Die Texte der Songs wurden von Ina, Jörn und Boris verfasst (bis auf "Sonett 129", das von Shakespeare ist), bis auf wenige Ausnahmen in Englisch. Hier einige Beispiele der Texte in deutscher Übersetzung:
Break decay (Zerstörung Zerfall) Zerstörung Zerfall Liebshungrige Augen inmitten bunter Trümmer, vergängliches vergangen, keine Sprache für ein nichts, Liebeshungrige Augen, doch blind, Liebeshungrige Ruinen, Zerstörung; Zerstörung, Zerstörung, Zerfall. ---
I'm looking for Explosion (Ich suche die Explosion): Ich suche... Ich suche die Explosion, Doch find nur den langsamen Zerfall meiner Kräfte. Entfesselt verbundene Füße tasten, tasten der schreienden Sonne entgegen. Ich suche, ich suche die Explosion... Blutige schmerzende Füße, finden den dornigen Pfad, Ich suche, ich suche die Explosion, doch ich finde nur die Zerstörung meiner Kräfte. ---
Pose and appearance (Sein und Schein): Sein und Schein, sein und dein, sein und schein, scheinheiliges Bein, stolper, scheinheiliger Stein, Aufbruch, Barrikaden und Revolution... Das ich als wir bezeichnen, und wir sind in der Stille, der Stille um uns selbst zu finden, die innere Beständigkeit, wir sind niemals allein, wir rechnen mit dem Aufbruch, auf den wir gewartet haben. Aber wir erfüllen keine Erwartungen, erst wenn wir ihnen eine Absage erteilten, werden wir einem Aufbruch zum Ausbruch nachkommen. ---
Out of thoughts (Gedankenlos): Wohin gingen meine Gedanken, wenn ich einsam wäre? Ich weiß es nicht, ich war nie einsam. Wohin gingen meine Gedanken, wenn ich blind wäre? Ich weiß es nicht, ich war nie blind. Wo stände mir der Kopf, wenn ich woanders lebte? Ich weiß es nicht, ich kenne nur hier. Wo wäre ich, wenn ich dich sähe? Ich weiß es nicht, nenn mir den Zufall. Ach würde doch nur alles so sein, wie es nicht ist, ich würde wissen wollen, was ich schon weiß. ---
Memorys on my birth (Erinnerung an meine Geburt): Heute hatte ich eine Erinnerung an meine Geburt, da nahm mich mein Schatten und wollte mich töten, aber ich habe gewonnen. Ich bin jung wie ein Küken und esse wie ein Schwein, ich schnaufe wie ein Pferd, ich spreche wie ein Fisch mit den Augen eines Mistkäfers, mein Hirn ist das eines Esels, weil ich alles so hinnehme, bring mich zum Heulen, ich breche aus. Wir sind wie ein Zoo, aber nicht die Wärter, auch nicht die Kassierer. Wir sind die Tiere in den Käfigen. ---