Tape Control 02 1993

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Das Jahr beginnt nun doch irgendwie ganz angenehm. hier liegen diesmal sechs Tapes herum, die mehr oder weniger gut bis genial sind. Es muß schon so sein, daß ich mir das Beste für den Anfang greife. Und das kommt aus der drögen Grenzstadt Frankfurt/Oder...Vor einem knappen Jahr hat sich die Band Syksy schon mal mit einem Demo gemeldet. Das war gut, aber irgendwie nicht so doll aufgenomen. Diesmal haben sich die Herren in ein ordentliches Studio begeben und für 4 Trax die Zeit gefunden, wenigstens das Mögliche zu machen. Was da klingt hat Druck, nicht nur, weil der Trommler mit seinem flotten Fuß den Antrieb für etwas schlicht Überwältigendes gibt. Auf der Kassette mit dem schlichten Namen "Brom" (das einfach und geschmackvoll gehaltene Cover wurde beim befreundeten GIRAFFE-Büro gefertigt) bekommt man knappe 20 Minuten herzbeschleunigenden Hartbeat gespielt. Die deutsche Lyrik läßt einige Gründe für die Fähigkeit zu solcher Musik ahnen. Mithin erreicht der Text Blumfeldeske Qualität oder beschreibt einfach nur die Katastrophe um uns. Syksy (ein finnisches Wort, welches Herbst bedeutet) hat mit den Stücken "Wahn", "Tek!", "Feuer" und "S.I.F." großes zu bietetn. Wenn wir mal annehmen, daß da noch mehr möglich ist, liegt die Vermutung nahe, daß Syksy für viele die Entdeckung des Jahres 93 werden wird.

Auch irgendwie aufregend ist die neue Prenzlberg Band Slick. Ganz auf dem immer noch sehr geliebten Grunge-Zug fahrend, spielen diese Knaben unter dem Motto "Sonic Solution" fünf mal schwer federndes Material aus eigener Feder. Keine Sensation im eigentlichen Sinne, aber eine Bereicherung der Szene. Es ist ja immer wieder erfreulich, nicht einweiteres Mal mit Einszwodreivier.... angebellt zu werden. Etwas vertracktere Konstruktionen weiß der kleine Bruder von J.H. zu bilden: Steve Binetti hat, wohl mangels eines Plattendeals, ein Tape bespielt, das für die engere Fangemeinde der sprechenden Gitarre sicher zum geliebten Leckerbissen werden kann. Neben Standards vom Meister und anderen Größen finden sich vor allem verspielte Tunes, die an der elektrischen Sechssaitigen entlanggespielt werden. Wie gesagt, ein Leckerbissen für die Fans.

Viel mehr Dreck und jede Menge Ungereimtheiten schwappen vom Band eines Samplers: "Graunoises". Offensichtlich ist da viel Handarbeit im Spiel, auch was die Produktionstechnik angeht. Beim Cover mag ich das noch verschmerzen, aber bei manchem, irgendwo in der Soundferne doch ganz gut scheinenden Songs ist das ärgerlich. Das Label "Loud'n'Dark" vergleicht sich gleich mal mit anderen Seattle-Unternehmen. Da es in Erkner sein Headquarter hat, scheint mir das auch logisch. Sonst ists aber noch ein weiter Weg. Immerhin sind es doch gerade Brillianz und Präzision, die Seattle-Bands aus dem grauen Topf anderer (auch aus Seattle kommender) Kapellen herausragen lassen. Aber, wie bemerkt, so manches Stück läßt Qualitäten erahnen. Die Bands heißen This Fertile Dish, White Gothic, Anasthetics und Elgitarror.

Der schnelle Hard Core kommt diesmal aus Berlin. Wahrscheinlich haben sich die Knaben nach einem Song von VENOM benannt, oder nach einem anderen Geräusch: AAARGH!! heißt die Band. Das knüppelt flink und lädt auch mal zum Schunkeln ein. Auf die kurze Kassette "Short Songs" passen dann auch gleich 11 Trax. Inklusive einer Ode an den Aufstieg und Fall von Sid Vicious. Live solls ziemlich in der Norm einschlägiger Konzerte liegen, also Bier und Bogo oder so. Sa hammers gern.

Etwas bieder und Metal-dödlig kommen die vier Typen von Hazchem. Auf dem Drei-Track-Demo ist mir zuwenig Platz für eigene Ideen. Das ist noch nicht die Musik der 90er. Später vielleicht.

Alte Bekannte haben sich gerade noch rechtzeitig für den Redaktionsschluß gemeldet: Where Is The Beef aus Dresden hat im November eine mittlwerweile dritte Kassette aufgenommen. In einem sehr schönen Cover findet man ein Tape mit 11 "typischen WITB-Songs". Leichte Beatmusik, englische Texte, die nicht immer ganz leicht vorgetragen werden und so manche gute Songidee. Neu und zeitgemäß ist der umfangreichere Einsatz von Effektgeräten an der Gitarre. Die Grenzen liegen eindeutig in der Aufnahmetechnik. Ein lustiges Lied, wie "I'm on fire" verliert an Reiz, wenn die räudigen Gesangsmikrophone mehr als die Hälfte verschlucken und die Rhythmusgitarre nicht ganz so brilliant klingt, wie sie das tun sollte. Irgendwie sollte diese Band jetzt mal langsam das Glück haben, einen spendablen Studio- oder Label-Besitzer zu finden.