Conne Island: Unterschied zwischen den Versionen

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Alternatives Jugend-Kulturzentrum in Leipzig, als "Conne Island" seit 1991 in gemeinnütziger Eigenregie betrieben.
Alternatives Jugend-Kulturzentrum in Leipzig, als "Conne Island" seit 1991 in gemeinnütziger Eigenregie betrieben.


Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entstand an dieser Stelle ein, zu dieser Zeit noch vor den Toren Leipzigs, im Dorf Connewitz gelegenes Ausflugslokal. Spätestens seit 1888/89 etablierte die Betreiberfamilie Rosenkranz dafür den Namen "Eiskeller", wohl in Bezug auf den von vielen alten Bäumen in der Sommersaison angenehm beschatteten Freisitz. Der letzte Eigentümer aus der Familie musste 1934 das Gebäude wegen Schulden verkaufen, danach wurde es wegen drohendem Verfall von der Stadt saniert und ab 1937 der "Hitlerjugend" als Gruppenheim überlassen. Nach 1945 entstand in der aus einer Villa mit separatem Saalbau bestehenden Liegenschaft das kommunale, offensichtlich von der FDJ verwaltete Jugendklubhaus "Erich Zeigner". Es gab aber auch Kulturangebote für Senioren, sowie eine öffentliche Gastronomie, die in den 1970er und 80er Jahren stark von der lokalen Fußball-Fanszene frequentiert wurde. Der offiziell seit 1934 nicht mehr existierende Name "Eiskeller" wurde bevorzugt in dieser Zeit, und vereinzelt noch bis in die Gegenwart, weiter verwendet.<br>Die regelmäßige Nutzung des "Eiskeller" für verschiedene Jugend-Subkulturen begann im April 1984 mit der Veranstaltungsreihe "Neue Gruppen stellen sich vor", organisiert von der [[IG Rock]], einer in der DDR einzigartigen lokalen Sektion des "Kulturbundes". Diese Aktivitäten lassen sich im Kontext einer partiellen Neuorientierung der DDR Jugendpolitik der Mitt-Achtziger betrachten, die auf Vereinnahmung statt Konfrontation setzte.  
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entstand an dieser Stelle, zu der Zeit noch vor den Toren Leipzigs, ein im Dorf Connewitz gelegenes Ausflugslokal. Spätestens seit 1888/89 etablierte die Betreiberfamilie Rosenkranz dafür den Namen "Eiskeller", wohl in Bezug auf den von vielen alten Bäumen in der Sommersaison angenehm beschatteten Freisitz. Der letzte Eigentümer aus der Familie musste 1934 das Gebäude wegen Schulden verkaufen, danach wurde es wegen drohendem Verfall von der Stadt saniert und ab 1937 der [https://de.wikipedia.org/wiki/Hitlerjugend Hitlerjugend] als Gruppenheim überlassen. Nach 1945 entstand in der aus einer Villa mit separatem Saalbau bestehenden Liegenschaft das kommunale, offensichtlich von der FDJ verwaltete Jugendklubhaus (JKH) "[https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Zeigner Erich Zeigner]". Es gab aber auch Kulturangebote für Jungpioniere und Senioren, sowie eine öffentliche Gastronomie, die in den 1970er und 80er Jahren stark von der lokalen Fußball-Fanszene frequentiert wurde. Der offiziell seit 1934 nicht mehr existierende Name "Eiskeller" wurde bis Anfang der 1990er Jahre obligatorisch, und vereinzelt noch bis in die Gegenwart weiter verwendet.<br>Die regelmäßige Nutzung des "Eiskeller" für verschiedene Jugend-Subkulturen begann im April 1984 mit der Veranstaltungsreihe "Neue Gruppen stellen sich vor", organisiert von der [[IG Rock]], einer republikweit einzigartigen lokalen Sektion des Kulturbundes (KB) der DDR. Diese Aktivitäten lassen sich im Kontext einer partiellen Neuorientierung der DDR Jugendpolitik der Mitt-80er betrachten, die auf Vereinnahmung statt Konfrontation setzte. Die hier angebotenen Freiräume trugen zum Wachstum und zur Diversifikation der Amateur- und Untergrund-Rockszene von Leipzig bei, machten diese aber auch transparenter für staatliche Kontrollorgane. 1985 erstmals als [[IG Rock Festival]], ab 1986 als [[Leipziger Rockfestival]] fanden bis zum Sommer 1990 jeweils mehrtägige Konzertereignisse als Jahreshöhepunkte der IG Rock im "Eiskeller" statt.<br>Mit der sogenannten "Wende" drängten neue Akteure der bis dahin oppositionellen Jugendkultur, wie die aus dem [[Mockauer Keller]] initiierte Konzertgruppe "reAktion", in die Veranstaltungstätigkeit vor. Durch die Auflösung von FDJ und KB entfielen die Träger-Organisationen des Jugendklubhauses und der IG Rock, gleichzeitig wurden deren Akteure wegen ihrer Staatsnähe in Frage gestellt. Ein von "Abo" Alsleben (siehe [[Cadaver Corpse|hier]]) organisiertes und auch international vielbeachtetes Konzert mit der norwegischen Black Metal Band '''[https://de.wikipedia.org/wiki/Mayhem Mayhem]''' fand im November 1990 statt. Als Pläne der Stadt Leipzig bekannt wurden, mehrere Auftrittsdomizile (neben dem JKH "Erich Zeigner" u.a. den [[Haus Leipzig|Zentralen Klub der Jugend "Artur Becker"]] im Zentrum-West und das [[Anker|JKH "Jürgen Lange"]] in Möckern) an Privatinvestoren zu verkaufen, kam es im März 1991 zu einer symbolischen Besetzung des Neuen Rathauses. Es gelang dadurch, für alle gefährdeten Objekte verschiedene Formen freier Trägerschaft auszuhandeln. Für den "Eiskeller" wurde der "Projekt Verein e.V." gegründet, der die Einrichtung noch im gleichen Jahr in "Conne Island" umbenannte, einem Wortspiel mit dem Ortsteil Connewitz und der kulturellen "Insel"-Situation sowie eine Anspielung auf den berühmten New Yorker Vergnügungspark [https://de.wikipedia.org/wiki/Coney_Island Coney Island].<br>Im Oktober 1991 ging im "Eiskeller" das "Moonchild Festival" als Vorläufer-Blaupause des ab 1992 immer zu Pfingsten veranstalteten [[Wave-Gotik-Treffen]] über die Bühne, das aber schon 1993 wegen erhöhtem Platzbedarf in das [[Werk II]] umzog. Seitdem hat sich das "Conne Island" zu einer auch international bekannten Location entwickelt, das durch seine basisdemokratische Selbstverwaltung Strahlkraft und Vorbildwirkung besitzt, aber auch Kritik aus unterschiedlichen Richtungen ausgesetzt ist. So wurde es ab 1996 vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz überwacht, ein Konflikt der bis zur vorübergehenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit 2003/04 führte. Andererseits wird das "Conne Island" teilweise szene-intern für seine formale Kooperation mit der Stadtverwaltung, sowie für kontrovers diskutierte Veranstaltungen in Frage gestellt.<br>Das Programm des "Conne Island" sowie der in dessen Rahmen geführte gesellschaftspolitische Diskurs wird im "CEE IEH", einem Newsletter mit Zine-Charakter, publiziert.
 
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Netzinfo: [http://conne-island.de/ conne-island.de] | [https://de.wikipedia.org/wiki/Conne_Island Wikipedia] | [https://15jahre.conne-island.de/broschuere/02.html Geschichte des "Eiskeller" bis 1991]
Netzinfo: [http://conne-island.de/ conne-island.de] | [https://de.wikipedia.org/wiki/Conne_Island Wikipedia] | [https://15jahre.conne-island.de/broschuere/02.html Geschichte des "Eiskeller" bis 1991]
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== Literatur ==
== Literatur ==
* 2011: "20 YRS - Noch lange nicht Geschichte." (Verbrecher Verlag, Berlin)
* 2011: ''"20 YRS - Noch lange nicht Geschichte."'' (Verbrecher Verlag, Berlin)
* 2021: "Auf dem Klo habe ich noch nie einen Schwan gesehen. Erinnerungen aus 30 Jahren Conne Island." (Verbrecher Verlag, Berlin)
* 2021: ''"Auf dem Klo habe ich noch nie einen Schwan gesehen. Erinnerungen aus 30 Jahren Conne Island."'' (Verbrecher Verlag, Berlin)


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[[Category:Leipzig]]
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Aktuelle Version vom 15. Mai 2023, 09:03 Uhr

Alternatives Jugend-Kulturzentrum in Leipzig, als "Conne Island" seit 1991 in gemeinnütziger Eigenregie betrieben.

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entstand an dieser Stelle, zu der Zeit noch vor den Toren Leipzigs, ein im Dorf Connewitz gelegenes Ausflugslokal. Spätestens seit 1888/89 etablierte die Betreiberfamilie Rosenkranz dafür den Namen "Eiskeller", wohl in Bezug auf den von vielen alten Bäumen in der Sommersaison angenehm beschatteten Freisitz. Der letzte Eigentümer aus der Familie musste 1934 das Gebäude wegen Schulden verkaufen, danach wurde es wegen drohendem Verfall von der Stadt saniert und ab 1937 der Hitlerjugend als Gruppenheim überlassen. Nach 1945 entstand in der aus einer Villa mit separatem Saalbau bestehenden Liegenschaft das kommunale, offensichtlich von der FDJ verwaltete Jugendklubhaus (JKH) "Erich Zeigner". Es gab aber auch Kulturangebote für Jungpioniere und Senioren, sowie eine öffentliche Gastronomie, die in den 1970er und 80er Jahren stark von der lokalen Fußball-Fanszene frequentiert wurde. Der offiziell seit 1934 nicht mehr existierende Name "Eiskeller" wurde bis Anfang der 1990er Jahre obligatorisch, und vereinzelt noch bis in die Gegenwart weiter verwendet.
Die regelmäßige Nutzung des "Eiskeller" für verschiedene Jugend-Subkulturen begann im April 1984 mit der Veranstaltungsreihe "Neue Gruppen stellen sich vor", organisiert von der IG Rock, einer republikweit einzigartigen lokalen Sektion des Kulturbundes (KB) der DDR. Diese Aktivitäten lassen sich im Kontext einer partiellen Neuorientierung der DDR Jugendpolitik der Mitt-80er betrachten, die auf Vereinnahmung statt Konfrontation setzte. Die hier angebotenen Freiräume trugen zum Wachstum und zur Diversifikation der Amateur- und Untergrund-Rockszene von Leipzig bei, machten diese aber auch transparenter für staatliche Kontrollorgane. 1985 erstmals als IG Rock Festival, ab 1986 als Leipziger Rockfestival fanden bis zum Sommer 1990 jeweils mehrtägige Konzertereignisse als Jahreshöhepunkte der IG Rock im "Eiskeller" statt.
Mit der sogenannten "Wende" drängten neue Akteure der bis dahin oppositionellen Jugendkultur, wie die aus dem Mockauer Keller initiierte Konzertgruppe "reAktion", in die Veranstaltungstätigkeit vor. Durch die Auflösung von FDJ und KB entfielen die Träger-Organisationen des Jugendklubhauses und der IG Rock, gleichzeitig wurden deren Akteure wegen ihrer Staatsnähe in Frage gestellt. Ein von "Abo" Alsleben (siehe hier) organisiertes und auch international vielbeachtetes Konzert mit der norwegischen Black Metal Band Mayhem fand im November 1990 statt. Als Pläne der Stadt Leipzig bekannt wurden, mehrere Auftrittsdomizile (neben dem JKH "Erich Zeigner" u.a. den Zentralen Klub der Jugend "Artur Becker" im Zentrum-West und das JKH "Jürgen Lange" in Möckern) an Privatinvestoren zu verkaufen, kam es im März 1991 zu einer symbolischen Besetzung des Neuen Rathauses. Es gelang dadurch, für alle gefährdeten Objekte verschiedene Formen freier Trägerschaft auszuhandeln. Für den "Eiskeller" wurde der "Projekt Verein e.V." gegründet, der die Einrichtung noch im gleichen Jahr in "Conne Island" umbenannte, einem Wortspiel mit dem Ortsteil Connewitz und der kulturellen "Insel"-Situation sowie eine Anspielung auf den berühmten New Yorker Vergnügungspark Coney Island.
Im Oktober 1991 ging im "Eiskeller" das "Moonchild Festival" als Vorläufer-Blaupause des ab 1992 immer zu Pfingsten veranstalteten Wave-Gotik-Treffen über die Bühne, das aber schon 1993 wegen erhöhtem Platzbedarf in das Werk II umzog. Seitdem hat sich das "Conne Island" zu einer auch international bekannten Location entwickelt, das durch seine basisdemokratische Selbstverwaltung Strahlkraft und Vorbildwirkung besitzt, aber auch Kritik aus unterschiedlichen Richtungen ausgesetzt ist. So wurde es ab 1996 vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz überwacht, ein Konflikt der bis zur vorübergehenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit 2003/04 führte. Andererseits wird das "Conne Island" teilweise szene-intern für seine formale Kooperation mit der Stadtverwaltung, sowie für kontrovers diskutierte Veranstaltungen in Frage gestellt.
Das Programm des "Conne Island" sowie der in dessen Rahmen geführte gesellschaftspolitische Diskurs wird im "CEE IEH", einem Newsletter mit Zine-Charakter, publiziert.

Netzinfo: conne-island.de | Wikipedia | Geschichte des "Eiskeller" bis 1991

Musik

Literatur

  • 2011: "20 YRS - Noch lange nicht Geschichte." (Verbrecher Verlag, Berlin)
  • 2021: "Auf dem Klo habe ich noch nie einen Schwan gesehen. Erinnerungen aus 30 Jahren Conne Island." (Verbrecher Verlag, Berlin)