Tacheles

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Psychedelisches Krautrock-, Improvisations-Projekt aus Berlin, 1987 - 1991

Gegründet wurde das Projekt im April 1987 von Leo Kondeyne, André Greiner-Pohl, Alex Kriening, Rafael Insunza Figueroa, Tatjana Besson und Trötsch. Leo Kondeyne, seit 1982 Tontechniker bei Freygang und in der Akademie der Künste, war dabei der treibende Akteur. Angeregt durch den Komponisten Georg Katzer war er auf der Suche nach einer experimentellen und improvisierten Echtzeitmusik „vom Bauch heraus“. Nach den ersten Sessions stand für alle Beteiligten fest - wir musizieren in dieser offenen Form weiter - alle Musiker spielten parallel weiter in ihren Stammbands (Freygang, Die Firma, Ichfunktion). Der Name Tacheles wurde bei einem Treffen in einer Ostberliner Kneipe gefunden. Nach André Greiner-Pohl handelte es sich bei „Tacheles“ (offen und freimütig seine Meinung äußern) um den Reserve-Namen für die immer wieder von Spielverbot bedrohte und betroffene Band Freygang. In der Erinnerung von Rafael Insunza wurde das Wort gewählt, „weil es genau die politische Idee, die uns damals vorwärts trieb, widerspiegelte“.

Die Erosion in der Kunstszene der späten DDR erfasste auch die Tacheles-Band. Rafael Insunza Figueroa musste im Sommer 1987 nach Westberlin umsiedeln (die Aufenthaltserlaubnis des Chilenen in der DDR wurde nicht verlängert). Trotzdem gab es gemeinsame Auftritte, unter anderem in der Erlöserkirche (1987), in der Gethsemanekirche, der Zionskirche/Umweltbibliothek (1988) und im Haus der Jungen Talente Berlin. Leo Kondeyne und Alexander Kriening reisten 1988 ebenfalls aus. Nach deren Ausreise fanden keine öffentlich Auftritte mehr statt - Alexander Kriening durfte nicht mehr in die DDR einreisen.

Es entstanden diverse Aufnahmen, von denen bisher ein Stück veröffentlicht wurde. „Niño“ auf dem Sampler "Born in DDR", (CD-Track 28, als Die Firma - (ohne Titel)) und auf dem Sampler "Spannung. Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund DDR 1979-1990".

Nachdem 1989 das Spielverbot für Freygang aufgehoben wurde, beteiligten sich André Greiner-Pohl und Tatjana Besson nicht mehr am Tacheles Musikprojekt.

Leo Kondeyne, Rafael Insunza Figueroa und Alexander Kriening gründeten in Westberlin zusammen mit Krischan Jaeger (Happy Straps) die „Tacheles-West-Band“ und nahmen in dieser Besetzung verschiedene bisher nicht veröffentlichte Stücke auf.

Am 13. Februar 1990 besetzten Mitglieder verschiedener Künstler- und Musikgruppen die Ruine der ehemaligen Friedrichstraßenpassagen in der Oranienburger Straße, Berlin-Mitte. Leo Kondeyne aktivierte hierfür u.a. sein weit verzweigtes Netzwerk aus dem Umfeld der Westberliner Unwahr Galerie und der Ostmusikerszene aus dem Eimer in der Rosenthaler Straße. André Greiner-Pohl und Tatjana Besson waren dann auch wieder dabei. In den ersten Tagen der Besetzung wurde beschlossen, die Initiative und später auch das neu entstehende Kunsthaus „Tacheles“ zu nennen.

Die Tacheles-"West"-Band (Leo Kondeyne, Rafael Insunza Figueroa, Alexander Kriening und Krischan Jaeger) gab sich den Namen „Los Delmonte“ und baute sich im Keller des (Kunst- und Kulturhauses) Tacheles einen Probenraum aus.

Quellen

  • Rafael Insunza Figueroa, ‘Die Entstehung der Tacheles-Bewegung’ (Universidad Metropolitana de Ciencias de la Educacion, Santiago de Chile, July 1995)
  • 'Blues einer unruhevollen Jugend', Interview mit André Greiner-Pohl, Seite 666 in Ronald Galenza und Heinz Havemeister (Hrsg.) "WIR WOLLEN IMMER ARTIG SEIN - Punk, New Wave, HipHop undIndependent-Szene in der DDR 1980–1990", ISBN 978-3-86265-230-3
  • "Spannung. Leistung. Widerstand - Magnetbanduntergrund DDR 1979-1990", Verbrecher Verlag, Berlin 2006, ISBN 9783935843768
  • Oral History Interview mit Leo Kondeyne am 9.2.2019 (virtual-archive.org)


Musik