Parocktikum-Sessions
Von der DT64-Sendung "Parocktikum" bzw. dessen "Macher" Lutz Schramm kuratierte und (mit)organisierte Aufnahmen.
Die für diese Aufnahmen benötigten Produktionskapazitäten des Rundfunk der DDR konnten bereitgestellt werden, nachdem auf der medialen Führungsebene die Notwendigkeit erkannt worden war, qualitätvolle und zielgruppen-nahe musikalische Beiträge vor allem von einheimischen Bands planmäßiger zu entwickeln. Dem Moderator des Parocktikum wurden hierbei zum wiederholten Male aufgrund seiner bewiesenen Kompetenz relative Freiheiten zugestanden.
Für die geplanten "Parocktikum-Sessions" wurden zwei anwendbare Szenarien entwickelt, in Abhängigkeit vom Soundbild und Selbstverständnis der präsentierten Bands: eine Art mobile Studio-Produktion, oder den eher "klassischen" Live-Mitschnitt. Beiden Formaten lag die Idee zugrunde, durch räumliche Distanz zur staatlichen Institution Rundfunk den Musikern größtmöglichen kreativen Freiraum zu verschaffen. Die ersten derartigen Aufnahmen entstanden mit der AG Geige in ihrer Heimatstadt als mehrtägige "Studio" Produktion inklusive finalem Mix unter Einbeziehung der Musiker. Die so entstandenen Tracks konnten bereits zwei Tage später (!) im Programm der Sendung eingesetzt werden. Für die darauf folgenden Livemitschnitte wurde, nach einer dort am 18. April 1987 erfolgreich aufgezeichneten "Jazz-Rock-Nacht" (in deren Rahmen mit Electro Artist bereits gute Erfahrungen mit dem angepeilten "Underground-Sound" gesammelt wurden), das Kreiskulturhaus Treptow als Location ausgewählt. Bei den Sessions am 20. Dezember 1987 war mit dem X-Mal! Team ein weiterer, bereits erfahrener Organisator im Boot.
Die Skeptiker und Zorn wurden in ihrererseits präferierten Locations mitgeschnitten, für den Expander des Fortschritts wurde das Konzept der AG Geige Session wiederholt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt entstand beim Rundfunk zunehmend Parocktikum-relevantes Sendematerial ohne Schramms explizite Beteiligung, wie z.B. Mitschnitte von Mad Affaire und Feeling B beim von der FDJ-Bezirksleitung Berlin präsentierten Rockmarathon "Hier um 11" am 2. Juli 1988 in der Werner-Seelenbinder-Halle (mit internationalen Acts wie The Wedding Present und Jonathan Richman plus einheimischem Supportprogramm), und auch bei FDJ-Veranstaltungen wie der "Werkstattwoche Jugendtanzmusik" in Suhl (17. bis 19. Oktober 1988, mit u.a. Sandow, Jade und Die Skeptiker) oder den zwei Ausgaben von "Jugend im Palast" (Januar 1988 und Januar 1989) waren nun Ü-Wagen dabei. Die aufwendige Organisation von "Parocktikum-Sessions" wurde darum nicht fortgeführt.
Sessions & Konzerte
- 09.-11.10.1987: AG Geige ("Galerie am Brühl", Karl-Marx-Stadt)
- 25.10.1987: die anderen (KKH Treptow)
- 22.11.1987: Die Art (KKH Treptow)
- 20.12.1987: Das Freie Orchester + Rosengarten ("X-Mal! Musik zur Zeit", KKH Treptow)
- 07.02.1988: Die Skeptiker (JK "Am Tierpark")
- 11.-13.03.1988: Der Expander des Fortschritts (Galerie "studio bildende kunst", Berlin)
- 18.03.1988: Zorn (JKH "Walter Barth", Leipzig)
Lesen
- "Zwischenbericht eines Jung-Produzenten" von Lutz Schramm, in: Unterhaltungskunst 10/1988
- "Spule, Feedback und Zensur. Interview mit Lutz Schramm (DT64)", in: Galenza / Havemeister 1999, 288ff.
- "Parocktikum-Sessions. Emanzipationsversuche in der Musikproduktion", in: "Punk und New Wave im letzten Jahrzehnt der DDR. Akteure - Konfliktfelder - musikalische Praxis" von Florian Lipp (Waxmann 2021, S. 376ff.)