JK "Extrem"

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Legendärer selbstverwalteter Jugendklub im Örtchen Lugau (bei Doberlug-Kirchhain), ins Leben gerufen ab 1984/85.

Initiator Alexander Kühne (* 1964) machte durch Mundpropaganda diesen teilweise semi-legal betriebenen Live-Club als Veranstaltungsreihe in einer örtlichen Gastronomie zu einem Mekka der ostdeutschen Untergrund-Bandszene. Ursächlich war weniger eine oppositionelle Einstellung zur DDR, sondern vielmehr Eskapismus, Langeweile, kreativer Impuls und das extrem strukturschwache kulturelle Umfeld. Nach Test-Veranstaltungen mit mäßigem Erfolg in den Jahren 1983 und 1984 wurde mit Hilfe von Freunden als "Klubmitglieder" im Mai 1985 eine spektakuläre Performance mit der lokalen Punkband Kotzübel auf die Bühne gebracht, die von der Volkspolizei abgebrochen wurde und zu einem drastischen Ordnungsstrafverfahren für den Jung-Veranstalter führte. Danach gelang es dem gleichen Team aber dennoch, nun mit Hilfe der FDJ und Kühnes Freund Henri Manigk (* 1965) als unverdächtigem "Vorsitzenden", einen offiziellen Jugendklub aufzuziehen. Dazu gehörten neben Konzerten auch Motto-Parties, Modenschauen und ähnliche Veranstaltungen mit Strahlkraft in der tristen Brandenburger Provinz.
In der u.g. 2018er Dokumentation berichtet Manigk von einem konkreten Anwerbungsversuch der DDR-Staatssicherheit als IM, der in seinem Fall erfolglos blieb. Die Veranstaltungstätigkeit wurde dennoch mit Hilfe zahlreicher IM, wenn auch offensichtlich ohne erkennbare Folgen für die Beteiligten, systematisch ausgespäht. Es ist sogar anzunehmen, dass die an diesem Ort mögliche konzentrierte Beobachtung potenziell verdächtiger Personen (wie z.B. Ausreise-Kandidaten) zur Strategie des MfS gehörte.

Vorrangig Vertreter der später so genannten "anderen bands" wie Feeling B, Sandow, Die Vision oder Die Art wurden von Kühne und seinen Freunden eingeladen, vor Ort dann aber auch zuweilen zusammen mit solchen ohne Spielgenehmigung präsentiert. 1988 wurden hier Müllerbeat aus dem nahen Lauchhammer in einem Contest zur "Besten DDR-Band" gewählt. Ursprüngliche Location war die KONSUM-Gaststätte in Lugau, als diese ab 1987 wegen Renovierung nicht genutzt werden konnte, wurde das "Kohlenpott" genannte Kulturhaus im nahen Doberlug-Kirchhain bespielt. Ein weiterer Ort für intimere Konzerte aber auch Probenräume war die sogenannte "Alte Schule" in Lugau, außerdem gab es mehrfach Open Air Veranstaltungen ("1000 Tage Extrem" im September 1987, Freilichtbühne Lindena im Mai 1989 und Juni 1991). Bei der Gelegenheit im September 1987 wurden auch einige Szenen der berühmten Rock-Doku "flüstern & SCHREIEN" in Lugau gedreht. Im Mai 1989 sollten die britischen Indierocker The Wedding Present ein kollaterales Konzert zu ihrem Ostberlin-Gastspiel absolvieren (es konnte wegen damaliger Verletzung eines Musikers erst 2016 realisiert werden) und im Sommer 1989 gelang es sogar, die West-Berliner Cow-Punk-Band Waltons nach Lugau einzuschleusen.
Ab 1990 wurde der Konzertbetrieb deutlich kommerzieller, auch Größen wie Atari Teenage Riot, Mega City Four, Cassandra Complex, The Stalin (Japan) oder Fettes Brot traten nun in Lugau auf. Für Techno-Raves wurde für kurze Zeit der "Russenbunker", eine 1991 von der Roten Armee geräumte Lagerhalle, genutzt. 1994 endete die Tätigkeit des JK "Extrem" wegen Besucherschwund, dem Zerfall der Konzertgruppe und konkurrierenden Unternehmen. Die örtliche Konzert-Tradition wurde bzw. wird sporadisch vom "Landei Lugau" (das inzwischen mehrfach modernisierte Gebäude der ehemaligen KONSUM-Gaststätte) weitergeführt.
Die Geschichte des Klubs wurde 2016 in dem Roman "Düsterbusch City Lights" (hier literarisch verfremdet), sowie 2018 in der ARTE-Doku "Lugau City Lights" nacherzählt. Zum 40jährigen Jubiläum wurde eine Ausstellung kuratiert und es erschien ein aufwendiger Bild/Text/Interview-Band.

Die Namensgebung ist historisch begründet als JK für "Jugendklub" angeführt, im Film wird aber auch ein altes Logo mit dem Kürzel JCL (für "Jugendclub Lugau") "Extrem" gezeigt. Auch in amtlichen Dokumenten der Zeit wird wahlweise JK / JC verwendet. Eine verbindliche Schreibweise war offensichtlich nebensächlich.

Netzinfo: Facebook | Lugau (Wikipedia) | Alexander Kühne im Interview 2021

Bands (Auswahl)

AG Geige | AWC | B.Crown | Big Savod & the Deep Manko | Bobo In White Wooden Houses | Bunte Trümmer | City | Cosmic Comic Connection Cowboys | Dekadance | Der Expander des Fortschritts | die anderen | Die Art | Die 3 von der Tankstelle | Die Skeptiker | Die Vision | Ecke & Co. | Edge Of Silence | Electra | Electro Artist | Experiment 4 | Feeling B | Fellini Prostitutes | Fett | Fluchtweg | Freunde der italienischen Oper | Hard Pop | Heavy Fishbone | IKS | Inflagranti | Iron Henning | Kaltfront | Kampanella is Dead | Kashmir | Keimzeit | Kein Mitleid | Kotzübel | Mad Affaire | Messer Banzani | Michele Baresi | Mildernde Umstände | Mind Mirror | Müllerbeat | Need A New Drug | Neu Rot | Pankow | Petty Cats | Pizza Brain | Sandow | Scandalous Smile | Stonebeat | Subway To Sally | Tausend Tonnen Obst | The Calyx Of Rose | The Exlex Kisses | The Fate | The Inchtabokatables | The Legendary Tishvaisings | The Swindlers | Think About Mutation | This Pop Generation | Torpedo Mahlsdorf | WK 13

Musik

Literatur

  • 2016: "Düsterbusch City Lights" von Alexander Kühne (Heyne Hardcore, München)
  • 2024: "Die große Welt ist da, wo wir sind. Der Jugendclub EXTREM Lugau 1984-1994" von Alexander Kühne (Hg.) (Verlag Kettler, Dortmund)